Morgengedanken Oktober 2017 – Herbst, die Zeit der Vergänglichkeit

Morgengedanken

Herbst – die Zeit der Vergänglichkeit

Sonntag, 22.10. – Samstag, 28.10.2017

Sonntag, 22.10.2017:

Herbst und Vergänglichkeit

Früher konnte ich den Herbst nie leiden. Das Herunterfallen des Laubes, die danach kahl dastehenden Bäume, der Nebel im November, all das stimmte mich pessimistisch. Der Herbst zeigte mir, wie vergänglich unsere Natur ist. Und der Besuch der Gräber Anfang November verstärkte in mir diesen Gedanken der Vergänglichkeit.

In letzter Zeit mache ich jedoch sehr gerne Tageswanderungen rauf auf die Berge, um den wunderbaren Ausblick zu genießen, den ich am Gipfel habe. Dadurch lernte ich den Herbst von einem neuen Blickpunkt aus zu schätzen. Für mich ist es wirklich atemberaubend, wenn ich durch die Buntheit der Wälder wandern darf, die der Herbst hervorzaubert. Wie imposant ist es, von oben auf diesen Farbenreichtum zu blicken mit den unzähligen und vielfältigen Gelb-, Grün-, Rot- und Brauntönen.

Die Herbstzeit mit dem Fallen der Blätter lehrt mich heute, dass die Natur eine Ruhephase braucht, um im Frühjahr neu auszutreiben. Ein schönes Bild für mein Leben. Meine Vergänglichkeit im Tod wird sich auch verwandeln in ein ganz anderes Leben. Vergänglichkeit als Durchgang zur endgültigen Geborgenheit in Gott.

Montag, 23.10.2017:

Vergänglichkeit – Was ist das?

Dauernd werde ich in letzter Zeit mit Bildern konfrontiert, die mich ohnmächtig machen: Bilder von Terror, wenn neuerlich zig Menschen verletzt oder sogar getötet wurden, Bilder vom Tod, die mich nicht nur in meinem Innersten bedrängen, sondern auch an meine eigene Vergänglichkeit erinnern. Vergänglichkeit oder „vanitas“, wie sie im Lateinischen genannt wird, bedeutet ursprünglich „leerer Schein, Nichtigkeit oder auch Eitelkeit“. Dieses Wort kommt aus der jüdisch-christlichen Vorstellung, dass alles Irdische vergänglich, nichtig ist. Vergänglichkeit bringt also zum Ausdruck, dass ich als Mensch keine Gewalt habe über das Leben und dass ich endlich bin, begrenzt.

 

Wenn ich also in letzter Zeit immer wieder diese unzähligen Bilder von Terrorakten sehe, dann stelle ich mir selber schon verstärkt die Frage: Welche Haltung habe ich dem Tod gegenüber? Bedrückt mich der Gedanke, dass ich sterben werde, dass ich vergänglich bin, so, dass ich meinen Alltag deprimiert sehe? Nein! Mich motiviert diese Vergänglichkeit vielmehr, mein Dasein hier und jetzt, im Augenblick, zu bejahen und es freudig und mutig und voll Hoffnung zu gestalten.

Dienstag, 24.10.2017:

Vergänglichkeit im Buch Kohelet

„Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? … Ich beobachtete alle Taten, die unter der Sonne getan wurden. Das Ergebnis: Das ist alles Windhauch und Luftgespinst.“ (Koh 1,2-3.14)

 

Manche kennen wohl diese Worte aus dem Alten Testament, aus dem Buch Kohelet. Es ist ein Buch, in dem der unbekannte Verfasser Weisheitssprüche, praktische Lebensratschläge und Warnungen vor falschen Lebensweisen zusammengetragen hat. Manche erkennen in diesem Buch einen tiefen Pessimismus: Alle menschlichen Genüsse führen letztlich nur zur Leere, ins Nichts, alles ist vergänglich.

Andere hören aus dem Buch heraus, dass der einzelne Mensch das Leben nutzen und jeden Tag als einzigartig genießen soll, weil man ja nicht weiß, was das Morgen bringen wird. Für mich ist dieser zweite Gedanke ein ganz spannender. Kohelet formuliert es im neunten Kapitel mit folgenden Worten: „Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu!“ (Koh 9,10) Nimm dein Leben in die Hand und gestalte es!

Mittwoch, 25.10.2017:

Die vergängliche Natur

Wussten Sie, dass man im Internet ein Reisejournal findet mit zehn vergänglichen Orten, die es so bald nicht mehr geben wird? Dabei werden die Galapagos-Inseln, die Malediven, das Great Barrier Reef u. a. angeführt. Treibhausgase, Verschmutzung und Klimaerwärmung sind Faktoren, die für einige Städte und Regionen bedrohlich geworden sind, Faktoren, die mir zeigen, wie vergänglich auch unsere Natur ist. Ähnlich verhält es sich mit unseren natürlichen Rohstoffen. Sie sind selbstverständlich und alltäglich für uns, aber endlich.

Mehr denn je zuvor ist es deshalb notwendig, mit den Rohstoffen und mit unserer Natur sorgsam umzugehen. Der Bischof von Rom, Papst Franziskus, hat in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ die Situation sehr klar analysiert, wenn er schreibt:

„Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann“ (204). Und er schlägt folgendes vor, um der Ausbeutung der Natur und der Ressourcen, verursacht durch uns Menschen, endlich Einhalt zu gebieten:

„Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen“ (206).

 

 

Donnerstag, 26.10.2017:

Der vergängliche Mensch

„Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr“, lese ich im Psalm 103 (Verse 15 und 16). Dieses Bild beschreibt für mich sehr gut, wie vergänglich ich als Mensch bin.

Als Pfarrer erlebe ich oft ähnliches, wenn Menschen plötzlich aus dem Leben gerissen werden und jung sterben. Gestern noch ist er mitten im Leben gestanden, heute schon stehen wir vor dem Sarg eines lieben Verstorbenen und sagen im christlichen Glauben „Auf Wiedersehen“ zu ihm.

Laden mich diese beiden Versen aus Psalm 103 dazu ein, depressiv zu werden? Nein, mich bringen diese Bilder vielmehr dazu, mich immer wieder mit dem Tod auseinanderzusetzen und mich zu fragen: Wie sollte ich meinen heutigen Tag gestalten, wenn ich wüsste, dass es der letzte meines Lebens ist? Das verursacht in mir keinen Stress, sondern bringt mich dazu, aus meinem Innersten heraus, aus meinem Herzen heraus, mein Leben aktiv und hoffnungsvoll zu gestalten.

Freitag, 27.07.2017:

Vergänglichkeit und Ewigkeit

Der Philosoph und Schriftsteller Wilhelm Schmid befasst sich sehr mit dem Thema „Lebenskunst“. Dabei stellt er sich die Frage: Was kommt nach dem Tod? Ist dann alles aus? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Seine Antwort darauf ist eine überaus interessante für mich.

Schmid meint, dass es in jedem Fall klug sei, sich den Tod nur als ein Hinübergehen von einer Lebensform zur anderen vorzustellen, denn dies mache das Leben hier und jetzt leichter. Da man nichts Genaueres wisse, sei schließlich alles Glaube. Und insofern könne man wählen, was man glauben möchte. Wenn es daher nach dem Tod doch weitergehe, dann kann man ja wirklich das eigene Leben danach weiter auskosten und gestalten. Und wenn es gar nichts gibt danach, dann sei das auch dann – im Tod – egal.

Insofern, meint Schmid, sei es gut, an ein Weiterleben nach dem Tod zu glauben, weil es mir dabei helfen kann, mein Leben hier und jetzt gut und sinnerfüllt und glücksfördernd zu gestalten. – Eine spannende Variante, mich zeitgemäß mit dem Thema Ewigkeit auseinanderzusetzen.

 

 

 

 

 

 

Samstag, 28.10.2017:

Vergänglichkeit und Augenblick

Der schlesische Barockdichter Andreas Gryphius schreibt in einem einfachen Vierzeiler folgendes:

„Mein sind die Jahre nicht,

die mir die Zeit genommen.

Mein sind die Jahre nicht,

die etwa möchten kommen.

Der Augenblick ist mein,

und nehm ich den in Acht,

so ist der mein,

der Jahr und Ewigkeit gemacht.“

Interessant ist für mich dabei zunächst das Wort „Ewigkeit“, das vom althochdeutschen „ewe“ stammt und übersetzt ursprünglich „Lebenszeit“ oder „langer Zeitraum“ bedeutete. Umgangssprachlich verstand man daher lange – bis ins 16. Jahrhundert – unter „Ewigkeit“ einen langen Zeitraum. Erst durch die Kirche hat der Begriff „Ewigkeit“ seine Bedeutung verändert in „Zeitlosigkeit“, wie es Andreas Gryphius in seinem Vierzeiler auch tut.

Gryphius vertröstet jedoch nicht auf das Jenseits, sondern versucht zu vermitteln, dass es auf den Augenblick ankommt. Er lädt mich ein, im Hier und Heute zu leben und den Augenblick achtsam zu gestalten. Und wenn ich das tue, so meint Gryphius, dann werde ich auch jetzt schon etwas spüren von dieser „Ewigkeit“, zu der ich unterwegs bin.