4. Fastensonntag: Das wertorientierte Gespräch

4. Fastensonntag
Das wertorientierte Gespräch

Haben sie heute schon mit jemanden gesprochen?
Wenn ja, wie würden sie dieses Gespräch bewerten?
War es Smalltalk, ein ernstes oder ein lustiges Gespräch, ein nonverbales Gespräch …

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact in Düsseldorf im Auftrag der Partneragentur Parship ergab, dass Paare durchschnittlich 102 Minuten am Tag miteinander sprechen, 29 Minuten über moderne Kommunikationswege und 75 Minuten von Angesicht zu Angesicht.

Heute, am 4. Fastensonntag, liegt der Fokus des heurigen Mottos der Fastenzeit auf der Frage „Nehme ich dieses Leben so an, wie es ist, wenn ich spreche?“ oder anders formuliert „wie wertorientiert spreche ich?“

Ein gutes und echtes Gespräch auf Augenhöhe ist heute vor allem im öffentlichen Raum selten zu erleben, viel mehr ist man „dem Gerede“ ausgesetzt. Die Macht und die Wirkung unserer Worte sowie die Gestik während eines Gesprächs sind dabei nicht zu unterschätzen. Sind wir von einem Wort berührt oder betroffen, speichern wir dieses Erlebnis in unserer Seele. Wir wissen heute, dass die Worte eines Menschen gesund, aber auch krank machen können. Worte können in uns etwas sterben oder wieder lebendig werden lassen.

Auch der Glaube beginnt mit dem Hören, dem Zuhören. Jesus spricht eine Sprache, die er in seiner Zuwendung zu den Menschen und konkreten Handlungen zum Ausdruck bringt.

Die heutigen Texte aus der Heiligen Schrift wollen uns darauf aufmerksam machen, wie menschliche Kommunikation gelingen oder auch misslingen kann.

Die heutige Eucharistiefeier lädt uns ein, uns von Gott und von den Menschen ansprechen zu lassen.

 

Lesung: Gen 11,1-9

Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte.
Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an.
Sie sagten zueinander:
Auf, formen wir Lehmziegel und brennen wir sie zu Backsteinen.
So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel.
Dann sagten sie:
Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel
und machen wir uns damit einen Namen,
dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.
Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten.
Er sprach:
Seht nur, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle.
Und das ist erst der Anfang ihres Tuns.
Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen.
Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache,
sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.
Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.
Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.

 

Evangelium: Mk 7,31-37

Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: „Effata!“, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Außer sich vor Staunen, sagten sie: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

 

Predigt von Pfarrer Dietmar Stipsits

Liebe ChristInnen!
„Um das gegenseitige Misstrauen zu zerstören, um die Herzen der Menschen einander näher zu bringen, dazu brauchen wir den Dialog“, sagte Kardinal Franz König im Jahr 1964 in seiner „Ansprache an Nicht-Christen“ im Rahmen des damaligen Eucharistischen Weltkongresses in Bombay. Das gilt, so behaupte ich, für jedes Gespräch, in Partnerschaften, in Familien, in Schule oder am Arbeitsplatz, in der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, in unserer Kirche, zwischen den verschiedenen Konfessionen und Religionen.

Damit Dialog/Gespräch gelingt, bedarf es m. E. zunächst eines, nämlich Offenheit, oder – wie wir es eben im Evangelium gehört haben – es bedarf des „effata!“ – „öffne dich!“ Wenn ich im Gespräch nicht Offenheit riskiere, wird das Gespräch an der Oberfläche bleiben. In einem gelingenden Gespräch kann ich das sagen, was ich wirklich will und meine, und nicht das, was ich glaube, dass andere von mir erwarten. Ehrlich meinen eigenen Standpunkt aussprechen, das führt dazu, dass mich mein Gegenüber besser verstehen lernt. Vertrauen wird so wachsen können, und wir werden einander näher kommen und verstehen.

Jesus ist immer wieder mit Menschen ins Gespräch gekommen. Es war ihm stets wichtig – gerade dann, wenn es um Heilungen gegangen ist – dass er zunächst die Menschen gefragt hat, was sie brauchen. Jesus hat also stets Menschen eingeladen, sich ihm zu öffnen und auszusprechen – offen und ehrlich -, was sie brauchen, was sie sich wünschen, was jetzt gerade für sie wichtig war.

Und damit bin ich beim zweiten wichtigen Punkt eines gelingenden Gespräches: Ich muss zuhören können. So wie Jesus ein offenes Ohr hatte für die Nöte der Menschen, für das, was sie ihm erzählt und anvertraut haben, für das, was sie in ihrem Leben belastete, genauso ist es in einem Gespräch ganz wichtig, meinem Gegenüber wirklich und aufmerksam zuzuhören, und dass ich ihn auch aussprechen lasse.

Ein dritter, letzter Punkt erscheint mir wichtig zu sein für ein gutes Gespräch, nämlich auf meine Gefühle im Gespräch zu achten: Welche Gefühle werden in mir ausgelöst, wenn ich das Gehörte in mir aufnehme? Welche Bedürfnisse spüre ich da in mir? Was regt sich da in mir? Und diese Gefühle teile ich meinem Gegenüber auch mit, damit sie/er mich besser verstehen kann.

„Um das gegenseitige Misstrauen zu zerstören, um die Herzen der Menschen einander näher zu bringen, dazu brauchen wir den Dialog.“ Für diesen Dialog halte ich diese drei Eckpunkte für ganz wesentlich, und ich versuche, sie stets anzuwenden im Gespräch: 1. Offenheit 2. Aufmerksam zuhören und 3. Meine eigenen Gefühle wahrnehmen. – So wird gegenseitiges Misstrauen abgebaut, und die Herzen der Menschen begegnen einander. Wir brauchen – mehr denn je! – den Dialog, in unserer Kirche und zwischen den verschiedenen Religionen, in Politik und Gesellschaft und in unserem alltäglichen Miteinander – heute und bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Guter Gott, du hast uns als dein Ebenbild geschaffen und mit dem Reichtum der Sprache beschenkt. Wir bitten dich:

  • Für alle, die sich aufgrund von Missverständnissen voneinander entfernt oder verfeindet haben. Lass sie eine Sprache des Respektes füreinander finden.
  • Lass uns alle erkennen, dass es in unsere Macht liegt, wie wir unsere Worte gebrauchen, damit wir die heilende Dimension des Gesprächs erlernen.
  • Für unseren Glauben, der eng mit dem Zuhören zusammenhängt. Öffne unser Herz für eine Sprache, die sich in der Zuwendung und Öffnung zum Nächsten zeigt.
  • Wir reden viel und sagen nichts. Lass uns den Wert eines guten Gesprächs erkennen.

Du sprichst uns tagtäglich an und teilst dich uns mit durch das Wort. Durch Jesu hast du zu uns in der Sprache der Liebe gesprochen, damals, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

 

Meditation:

Vorschlag 1:
Sie lebten zu zweit, Mann und Frau, zwischen Morgen und Abend. Aßen und tranken, taten ihre Arbeit, geizten und kauften. Alles hatte sein gewohntes Maß. Man hatte sich sein Leben bis zur Pension vorausberechnet.
Bis sie eines Tages auf Menschen stießen, die auf Wellen tanzten, durch Mauern gingen, Berge versetzten und Tote erweckten.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, was ihnen fehlte. Sie begannen zu hören, zu beten, zu singen. Sie spürten den Antrieb des Geistes.
Er gebot ihnen zu springen, die Schwerkraft zu brechen, aus der Reihe von Ursache und Wirkung zu tanzen.
(Martin Gutl)

 

Vorschlag 2:
Einander achtsam zuzuhören und liebevoll miteinander zu sprechen ist Teil der 4. Achtsamkeitsübung im Buddhismus und Bestandteil des achtfachen Pfades. In diesem Zusammenhang interpretiert ein bekannter buddhistischer Mönch und Schriftsteller in seinem Buch „Nimm das Leben ganz in deine Arme“ die Lehre des Buddha folgendermaßen:
„Sprich nur dann, wenn du wirklich sicher bist, dass du gelassen und liebevoll sprechen wirst. Du musst dich darin üben, damit dir das gelingt.“
(Thich Nhat Hanh)