5. FS: Was macht mich lebendig?

5. Fastensonntag

Lesungen vom Tag

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits:

Liebe ChristInnen!

Ohne Hoffnung ist das Volk Israel in jener Zeit, von der die heutige Lesung gesprochen hat. Ohne Hoffnung, weil die Israeliten im Exil waren, vertrieben aus ihrer Heimat, zerstreut in verschiedenen Ländern. Die Israeliten fühlten sich in dieser Zeit des Exils wie tot. In diese Situation hinein spricht Ezechiel eine Vision, eine Botschaft, die Hoffnung schenkt: „Ich bringe euch zurück in das Land Israel. … Ich hauche euch meinen Geist ein, so dass ihr lebt, und ich bringe euch wieder in euer Land.“ Und wir wissen, dass diese Hoffnung in Erfüllung ging, dass das Volk tatsächlich zurückkehrte nach Israel, dass es neu auf-lebte.

Ezechiel bringt im Auftrag Gottes dem Volk Israel in einer scheinbar ausweglosen Situation Hoffnung und ermöglicht damit Leben. Friedrich Hölderlin stellt in seinem Roman „Hyperion“ die Frage: „Was wäre das Leben ohne Hoffnung?“ Wie eine Forelle das Wasser, unsere Lunge Luft, ein Computer Strom benötigt, so brauchen wir Menschen die Hoffnung. Wenn einer nichts mehr hofft, nichts mehr zu erhoffen hat, der hat sich aufgegeben, der sieht keine Zukunft mehr, der entdeckt keinen Sinn mehr für sein Leben. Wo die Hoffnung aufhört, ist das Leben zu Ende.

Hoffnung kann man jedoch nicht „machen“, wie einen Computer, wie ein Auto, wie ein Haus. Sie stellt sich auch nicht „auf Befehl“ ein. Wir können sie nicht herbeizwingen. Vielmehr kann Hoffnung dort beginnen, wo der Mensch „auf Empfang“ eingestellt ist, so wie das Volk Israel im Exil offen ist für die hoffnungsvolle Botschaft des Ezechiel. Hoffnung ereignet sich immer wieder dort, wo ich einem anderen Menschen begegne, der mich mag und bei dem ich mich geborgen fühle. Das erlebe ich immer wieder.

Um meinem Leben einen Sinn und damit auch Hoffnung zu geben, muss ich Mensch werden. Und das geht nur durch Begegnung und Zuwendung. Ich muss erleben, dass ich nicht allein gelassen bin, muss die heilende, die zärtliche Nähe eines anderen spüren. Ich muss erfahren, dass man mich – nach allem und trotz allem was geschehen ist – „mag“, und dass man mir etwas zutraut. Nur so kann ich wieder Lust am Leben bekommen.

„Was macht mich lebendig?“ ist die letzte, fünfte Frage auf unserem Weg hin zum Osterfest. Und die Antwort darauf lautet für mich: Ein liebender Mensch macht mich lebendig, jemand, der sich meiner annimmt, jemand, der mich freundlich erwartet, ein Du, dem ich begegnen darf, jemand, der mir durch sein Dasein Lebenskraft schenkt, einE Hoffnungs-HelferIn. — Mögen wir immer wieder Menschen begegnen, die uns Hoffnung schenken, und mögen auch wir selber hoffnung-schenkende Menschen sein – heute und jeden Tag bis in Ewigkeit.

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Meditation

Atme auf mich Atem Gottes

Atem Gottes, hauch mich an
füll mich wieder mit Leben
dass ich, was du liebst, lieben kann
und retten, was du gegeben.

Atem Gottes, weh mich an
bis mein Herz dir offen
bis ich, was du willst, wollen kann
im Handeln und im Hoffen.

Atem Gottes, blas mich an
bis ich ganz dein werde
bis dein Feuer in mir brennt
auf der dunklen Erde.

Atem des Lebens, atme in mir
lehr mich die Luft zu teilen
so wie das Wasser, wie das Brot
komm die Erde zu heilen.

Dorothee Sölle