Bischof Kräutler zur Wahl von Papst Franziskus

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„Er wird uns noch einiges zum Auflösen geben“

Papst Franziskus wird im Juli nicht nur zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro kommen. Er will auch den brasilianischen Wallfahrtsort Aparecida besuchen. Dort fand im Mai 2007 die 5. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates statt. Er forderte eine „missionarische Kirche“ im Dienst an den Armen und Ausgegrenzten. Bischof Erwin Kräutler über den Papst und Aparecida.

Sie nahmen als Delegierter der brasilianischen Bischöfe an der Vollversammlung in Aparecida teil. Erinnern Sie sich noch an Kardinal Bergoglio?
Kräutler: Wenn ich gewusst hätte, dass er Papst wird, hätte ich vielleicht aufmerksamer hingeschaut. Im Ernst: Bergoglio hat sich weder durch besonders markante Wortmeldungen noch durch sein Auftreten in den Vordergrund gedrängt. Er ist tatsächlich sehr bescheiden, wenn es um seine Person geht, aber er ist auch gescheit und entschlossen, wenn es um die Sache geht. Als Vorsitzender der Redaktionskommission für den Schlusstext (350 Seiten) hatte er einen schwierigen Job zu leisten.

Wie ist das zu verstehen?
Kräutler: Die Konferenz entwickelte sehr bald eine faszinierende Dynamik und in der Folge mussten Hunderte Eingaben gesichtet, diskutiert und eingearbeitet werden. Ich selber habe zigmal zu nachtschlafener Stunde – oft gemeinsam mit anderen Bischöfen – Eingaben geschrieben, nachdem wir vorher ausgiebig mit Theologen und Leuten aus den Gemeinden diskutiert hatten. Ich denke, es ist neben der Tat-
sache, dass an den wichtigen Schalthebeln die richtigen Leuten saßen, auch Bergoglios uneitlem und ehrlichem Einsatz zu verdanken, dass zum Schluss ein Dokument herausgekommen ist, das ich mir kaum zu erhoffen wagte – etwa in der klaren Bekräftigung der „Option für die Armen“ (Puebla 1979) und der Bedeutung der Basisgemeinden für die Kirche der Armen und Bedrängten in Lateinamerika.

Die „Option für die Armen“ oder die Basisgemeinden sind aus der Befreiungstheologie gewachsen. Bergoglio, so hieß es, war nie ein Befreiungstheologe. Wie sehen Sie das?
Kräutler: Ich kann mit diesem typisch europäischen Schubladendenken nichts anfangen. Es stimmt, Bergo-glio war kein „Befreiungstheologe“ und er hat in diesem Diskurs auch nicht Stellung bezogen, weil er in seinem Leben andere Aufgaben wahrzunehmen hatte, als Jesuitenoberer oder als Bischof. Aber die Grundanliegen der Befreiungstheologie, die vertritt er, die lebt er. Und das zählt – dass er zu den Armen geht und sie nicht bloß zu trösten versucht, sondern dass er mit wachem Blick die Situation hinterfrägt und die Verantwortlichen und Strukturen klar benennt, die dazu führen, dass soundsoviel Millionen Menschen in Armut leben und unter einer weitgehenden Ausgrenzung leiden. Und, was ebenfalls zum befreiungstheologischen Ansatz gehört: Er glaubt daran, dass Gott unter diesem Volk ist, dass er nicht ein Gott in der Ferne ist, sondern ein Gott, der mit dem Volk geht, der die Unterdrückung sieht und den Schrei hört, der herabsteigt, um das Volk aus der Sklavenhütte zu befreien (Exodus 3,7). Nicht zufällig nannten ihn die Menschen über Buenos Aires hinaus den „Bischof der Armen“.
Kirchenzeitung.at, 3.4.2013

 

Bischof Kräutler: Papst lebt Grundlagen der Befreiungstheologie

Der aus Vorarlberg stammende Bischof der brasilianischen Amazonas-Diözese Altamira-Xingu Erwin Kräutler geht davon aus, dass Papst Franziskus der Kirche “noch einiges zum Auflösen gibt und für Überraschungen sorgt”.
Worauf er persönlich hoffe, so Kräutler, sei eine Umgestaltung der Kirchenleitung nach dem Subsidiaritätsprinzip: Ortskirchen sollten aufgrund ihrer besseren Kenntnis der jeweiligen Situation mehr selbst entscheiden dürfen, wobei zur Förderung des Zusammenhalts zugleich die Kollegialität mit dem Papst gestärkt werden müsse. Gut vorstellbar sei es, dass zukunftsentscheidende Fragen “weltweit breit diskutiert werden und dass dann auf dieser Basis die Vertreter der Bischofskonferenzen gemeinsam mit dem Papst die notwendigen Entscheideungen treffen”. Zudem wünschte Kräutler mehr internationale Experten und Laien – auch Frauen, wie er betonte – als enge Mitarbeiter des Papstes.
Vorarlberg Online 3.4.2013

 

Amazonas-Bischof Kräutler: „Wir dürfen uns nicht in der Sakristei verstecken“

Er zeigt sexuellen Missbrauch an und mischt sich ein in Politik und Umweltschutz. Deshalb muss der brasilianische Bischof Erwin Kräutler nach Morddrohungen unter Polizeischutz leben. Vom neuen Papst erhofft sich der Befreiungstheologe eine kompromisslose Haltung in Sachen Sexualstraftaten. SPIEGEL ONLINE: Papst Franziskus wurde gerade ins Amt eingeführt. Sind Sie als brasilianischer Bischof froh, einen Lateinamerikaner auf dem Heiligen Stuhl zu sehen?

Kräutler: Ich bin begeistert! Mit ist es letztlich egal, wo der Pontifex herkommt, aber Franziskus ist ein offener Mensch und ein guter Seelsorger, das lässt hoffen.
SPIEGEL-Online vom 24.3.2013

 

Kräutler: „Er ist sehr volksnah und einfach“

Der in Brasilien tätige Vorarlberger über den neuen Papst und die Zukunft der Kirche.

Der eine galt als Kardinal der Armen und ist jetzt Papst, der andere ist ein Bischof der Armen – und ist es immer noch: Der aus Vorarlberg stammende und in Brasilien tätige Erwin Kräutler, 73, streut im KURIER-Interview den neuen Pontifex Rosen und hofft auf Reformen.
Kurier vom 23.3.2013 >>

 

Bischof Kräutler: „Papst spricht mir aus dem Herzen“

Bischof Erwin Kräutler ist angetan vom neuen Papst. Der aus Vorarlberg stammende Missionar ist seit 1980 Bischof im brasilianischen Amazonasgebiet; er sieht sich durch Papst Franziskus in seinem Einsatz für die Indianerstämme des Xingu-Gebietes gestärkt. Das sagte er am Dienstag nach der Amtseinführung des Papstes in einem Gespräch mit Radio Vatikan.
Interview hören oder lesen auf Radio Vatikan vom 20.3.2013 >>

 

„Kirche hat sich von Europa abgenabelt“

Nicht die Kardinäle, sondern die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit sollten den Papst wählen, sagt Bischof Erwin Kräutler im SN-Interview mit Josef Bruckmoser. Franziskus werde eine Stimme der Armen sein.

SN: Dom Erwin, ist der erste Papst aus Lateinamerika der Durchbruch zur Weltkirche?

Kräutler: Ja, ganz eindeutig. Die katholische Kirche hört damit auf, in ihren Entscheidungsinstanzen eine fast ausschließlich „europäische“ Kirche zu sein. In der Wahl des neuen Papstes zeigt sich, dass sich die Kirche irgendwie von Europa „abgenabelt“ hat.

SN: Wie werden sich die innerkirchlichen Gewichte zwischen Europa und Amerika, Asien, Afrika durch den neuen Papst verändern?

Kräutler: Ich denke, dass Papst Franziskus sich bemühen wird, von einer Kirche mit nur „europäischem Antlitz“ wegzukommen. Das heißt absolut nicht, dass Europa unwichtig geworden ist, aber in unserem Global Village soll der Alte Kontinent einfach ein Kontinent neben und nicht über den anderen sein. Europa soll auch in der Kirche nicht automatisch eine Vormachtstellung einnehmen.
Weiterlesen in Salazburger Nachrichten vom 16.3.2013 >>