Pastoraltheologe Pock: Dienen muss die Grundhaltung der Kirche sein

Karitative Dienste als „Glaubwürdigkeitserweis“ für Kirche – Theologe plädiert für die Zulassung von Frauen „zumindest zum Diakonenamt“

Kathpress, 11.10.2010

Wien (KAP) Bei Fragen kirchlicher Strukturreformen in der Kirche dürfe man sich nicht allein von der Frage leiten lassen, wie man mit den vorhandenen Priestern eine bestmögliche Versorgung der Gläubigen gewährleisten kann; vielmehr müsse die „Diakonie“ – der Dienst am Menschen – verstärkt in den Blick genommen werden, forderte der neue Wiener Pastoraltheologe Prof. Johann Pock bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Wien. Dabei müsse man sich die Frage stellen: „Welche Strukturen dienen tatsächlich welchen Personen?“ Neben der Aufwertung des Amtes des ständigen Diakons forderte Pock auch die Zulassung von Frauen zum Diakonen-Amt.

Angesichts von unbarmherzigen Asylverfahren und fremdenfeindlichen Wahlkampagnen könne sich Kirche nicht genug für benachteiligte Menschen stark machen, so Pock weiter. Die kirchliche Grundhaltung der Diakonie als Zuwendung zum Menschen stelle daher das „Kerngeschäft“ von Kirche dar. Diakonie könne für die Kirche nicht bloß „eine Option unter vielen“ sein, vielmehr sei sie „ein Leitmotiv in jeglichem pastoraltheologischen, pastoralen und somit auch kirchlichen Handeln“.

Bei den anstehenden strukturellen Veränderungen in der Kirche in Österreich müsse laut Pock die Frage leitend sein, „wie die Pastoral angesichts knapper werdender Ressourcen sowohl im personellen Bereich (also dem Priestermangel, aber auch den Kirchenaustritten) als auch im finanziellen Bereich weitergeht“. Pock empfiehlt bei allen zu treffenden Maßnahmen, sich auch die Frage „von der Diakonie her“ zu stellen: „Welche Strukturen dienen tatsächlich welchen Personen?“ Dabei verwies er u.a. auf die Tatsache, dass in den ersten Jahrhunderten in der Urkirche „das zentrale Strukturelement gerade nicht die Frage der Messorte, sondern die Frage nach der bestmöglichen Organisation der Diakonie war.“

„Diakonische Profilierung“

Als „theologisch unverzichtbar und überlebensnotwendig für die Kirche“ erachtet Pock in diesem Zusammenhang die „Aufwertung aber auch die diakonische Profilierung“ des Amtes des ständigen Diakons. Zugleich ist es für ihn „theologisch unhaltbar und ekklesiologisch fatal“, wenn man sich weigert, „Frauen zumindest zum Diakonenamt zuzulassen“. Das biblische Zeugnis und die Praxis der frühen Kirche widersprächen einer solchen Weigerung, ist Pock überzeugt.

„Eine von der Diakonie her denkende Kirche würde nicht auf die Idee kommen, auf das Potenzial so vieler Frauen und Männer zu verzichten, den Auftrag Jesu zu erfüllen, den Menschen in ihrer Not beizustehen“, stellt der Pastoraltheologe fest. Deswegen fordert er, Strukturen und Ämter der Kirche „von ihrem Ziel her zu gestalten“. Dieses Ziel bestehe darin, „dem Heil der Menschen zu dienen“.

Diakonie werde gegenwärtig oft nicht als kirchliches Handeln erkannt, erklärte Pock. So könne es sein, dass die aktuelle „Krisensituation“ der Kirche – veranlasst durch Kirchenaustritte und Missbrauchsvorwürfe – mit einem „Caritas-Boom“ einhergehe. Sozial-karitative Einrichtungen, die den Auftrag zur Diakonie verwirklichen, „boomen“ und gleichzeitig nehme die Zahl der Katholiken weiterhin ab. Dieser Bereich von Kirche, der „Hoffnung vermittelt“ und einen „Glaubwürdigkeitserweis“ für die Kirche darstellt, werde dabei häufig nicht der Kirche zugeschrieben.

Diakonie „zu sehr auf der Seite der Menschen“?

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe „Diakonie“ eine stetige Aufwertung erfahren. Das Konzil betonte „eine verstärkt diakonische Ausrichtung der Kirche“, erinnert Pock. „Dass Diakonie nicht nur ein Arbeits- oder Aufgabenbereich von Kirche ist, sondern alle Vollzüge und das ganze Handeln von Kirche zu prägen hat, haben nach dem Konzil viele Bischöfe und viele Synoden in ihren Texten ausgesagt.“ Dennoch „hafte der Diakonie immer noch an, zu sehr auf der Seite der Menschen und zu wenig auf der Seite Gottes zu stehen“.

Ein Zeichen für diesen Verdacht sieht Pock u.a. in der Beanstandung der Lehraussagen des Jesuiten und Befreiungstheologen Jon Sobrino vor drei Jahren durch die Glaubenskongregation: „Im Konkreten warf die Glaubenskongregation ihm vor, zu sehr die Solidarität mit den Armen und Unterdrückten in der Welt zu betonen und zu wenig den Glauben und die Erlösung durch Jesus Christus hervorzuheben.“

Politische Dimension von Diakonie

Als wichtige Aufgabe der Kirche sieht Pock es, sich zum Anwalt derer zu machen, die in Not sind. „Anwaltschaftlichkeit“ sei für Pock die „bewusste Parteinahme für Menschen in Not“. Weil die eigenen Möglichkeiten immer begrenzt seien, stellt die „politische Dimension von Diakonie“, die „Anwaltschaftlichkeit“, einen wesentlichen Teil „einer diakonischen Theologie und einer diakonischen Kirche“ dar, so Pock: „Es geht eben nicht nur darum, die je konkrete Not einzelner Menschen zu lindern, sondern es geht auch darum, das System zu ändern, das Nöte hervorruft oder fördert, und sich für Gerechtigkeit stark zu machen.“