5. Fastensonntag: Sinnsuche – Orientierungsdefizite

Fastenzeit 2015
Passion 2015: Unser Kreuzweg heute

5.Orientierung1

5. Fastensonntag: Sinnsuche – Orientierungsdefizite

Einleitung:
In der Fastenzeit beten wir traditionell den Kreuzweg und sind gemeinsam unterwegs zum Osterfest – und wir sind – einfach dadurch, dass wir Menschen sind – gemeinsam unterwegs auf der Suche nach Sinn und Orientierung.

Oft bleibt die Frage nach Sinn in unserer Zeit unausgesprochen, weil der, den sie bewegt, Angst hat, auf Unverständnis zu stoßen und doch ist sie da: Was ist meine Aufgabe? Was ist Sinn und Zweck meines Lebens? Wer braucht mich?

Viktor Frankl schreibt in seinem Buch „Der Wille zum Sinn“: „Das wichtigste Streben des Menschen geht nicht dahin, Lust zu erleben oder Schmerz zu vermeiden, sondern einen Sinn in seinem Leben zu finden. Aus diesem Grund ist der Mensch auch bereit zu leiden, wohlgemerkt unter der Voraussetzung, dass sein Leben einen Sinn hat.“

Dass die Suche nach dem Sinn des Lebens auch gefährlich werden kann, erfahren wir fast täglich.

Eltern und Regierungen sind fassungslos, dass ihre Töchter oder Söhne nach Syrien gezogen sind und sich den Islamischen Staat angeschlossen haben.

Oder wenn Menschen in Sekten und esoterischen Heilslehren ihr Glück suchen

Wir nehmen vermehrt ein Fluchtverhalten aus dem Leben wahr und fragen uns:

Was treibt Menschen in solche Auswege? – Ist es vielleicht …

  • Die Sehnsucht nach fertigen Antworten in einer unübersichtlichen
  • Die Sehnsucht nach Geborgenheit in einer kalt gewordenen Welt
  • Die Sehnsucht etwas Besonderes zu sein in einer Welt der austauschbaren Nummern.

Was kann jeder von uns tun, dass wir Sinn und Freude in unserem Leben finden und erleben?

Ich werde in der kommenden Woche versuchen Gott für meine Welt – und Lebensbewältigung wieder mehr Raum und Zeit zu geben, um so dem Sinn meines Lebens näher zu kommen.

Gebetsbitte als Überleitung zum Kyrie:

Allmächtiger Vater, wir wissen, dass unsere menschlichen Schwächen es oft verhindern, dass wir deinen Geboten nachkommen. Damit es uns aber gelingen möge, uns zu verändern, wollen wir im Kyrie Dein Erbarmen herabrufen.

Kyrie: Herr, erbarme dich!

Lesung: Jesus Sirach 16,24-30

Hört auf mich und lernt von meiner Erfahrung, / richtet euren Sinn auf meine Worte!
Wohl überlegt trage ich meine Gedanken vor / und bescheiden teile ich mein Wissen mit:
Als Gott am Anfang seine Werke erschuf / und ihnen zu ihrem Dasein Gesetze gab,
hat er ihre Aufgabe für immer festgelegt / und ihren Machtbereich für alle Zeiten.
Sie ermatten nicht und werden nicht müde, / sie lassen nicht nach in ihrer Kraft.
Keines seiner Werke verdrängt das andere / und bis in Ewigkeit widerstreben sie seinem Befehl nicht.
Dann hat der Herr auf die Erde geblickt / und sie mit seinen Gütern erfüllt.
Mit allerlei Lebewesen bedeckte er ihre Fläche / und sie kehren wieder zu ihr zurück.


Evangelium: Joh 14, 4-6

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!
Denn wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.
Thomas sagte: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?
Jesus sagte zu ihm:
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

 

Predigt von Pfarrer Dietmar Dominik Stipsits:

Liebe ChristInnen!

„Wer ein warum hat zu leben, erträgt fast jedes wie“, zitiert Viktor Frankl in seinem Buch „Psychotherphie für den Alltag“ Friedrich Nietzsche. Dieser Satz begleitet mich schon seit Jahren in meinem Tun als Seelsorger. Und ich wage zu behaupten, dass viele Probleme und Ängste mit dieser Aussage gelöst werden können. In unserer heutigen Gesellschaft besteht m. E. ein ganz großer Bedarf, der nicht mit Konsum zu befriedigen ist: Jeder Mensch ist auf der Suche nach dem tieferen Sinn seines Lebens. Wofür lebe ich?

Viktor Frankl, der Wiener Psychiater, Neurologe und Begründer der Logotherapie hat schon vor einem Dreivierteljahrhundert festgestellt, dass wir Menschen in unserem Innersten nicht so sehr nach materiellen Gütern, Glück, Macht und Sex streben, sondern es uns vielmehr darum geht, dass wir unser Leben als ein sinnerfülltes und schlussendlich gelungenes deuten können.

Ja, auch in meinem Seelsorgsalltag bewahrheitet es sich, dass Menschen, die täglich aufs Neue versuchen, darauf zu vertrauen, dass ihr Leben und ihr Tun einen Sinn hat, mit Schicksalsschlägen und Krisen weit besser umgehen können und diesen gewachsen sind, als jene, die am Sinn ihres Lebens ständig zweifeln oder diesen gar nicht entdecken können.

„Wer ein warum hat zu leben, erträgt fast jedes wie.“ Was ist denn mein „Warum zu leben“? Für mich bringen es die Zeilen von Hermann-Josef Coenen gut zum Ausdruck, was mein „Warum zu leben“ ist:

Anders leben.
Anders als gestern und heute.
Weil ich manchmal zu ersticken glaube
in Hektik und Langeweile,
im Trott des Festgefahrenen.
Weil ich auf der Stelle trete
bei all meinem Strampeln.

Anders leben.
Weil ich glaube,
dass mehr drinnen wäre in dem,
was sie „Leben“ nennen.
Dass auch in meinem Leben
zwischen Wecker und Spätnachrichten,
zwischen Arbeit und Schlafengehen
mehr drinnen wäre
an unausgeschöpften Möglichkeiten.

Anders leben.
Weil ich ungeduldig bin
und nicht warten möchte auf das,
was sie „Himmel“ nennen.
Weil ich jetzt schon,
heute und hier etwas spüren möchte
von Sinn und Erfüllung,
Glück und Zufriedenheit.

Anders leben.
Weil es mich reizt, Neues auszuprobieren,
ungebahnte Wege zu gehen.
Weil ich irgendwie ahne,
dass unter der Kruste der Oberfläche
mehr verborgen liegt,
als meine kurzsichtigen Augen entdecken.

Anders leben.
Weil du es bist,
der mich lockt und einladet und Mut macht!

vgl. H.-J. Coenen, Meine Jakobsleiter. Meditationen,
Patmos Verlag, Düsseldorf 21987.

Ja, ich stimme Friedrich Nietzsche absolut zu, wenn er sagt: „Wer ein warum hat zu leben, erträgt fast jedes wie!“ – heute und morgen und bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Herr Jesus Christus, du hast uns das Reich Gottes verkündet. Auf dein Wort können wir uns verlassen. Wir rufen zu dir:

  • Dein Wort wird nicht vergehen:
    Führe uns durch die Bedrängnis unserer Zeit
    und lass uns bei dir Frieden finden.
  • Dein Wort ist wie ein Samenkorn:
    Erwecke in uns einen tiefen Glauben, damit wir Frucht bringen und dich unter den Menschen darstellen.
  • Dein Wort wirkt befreiend:
    Erlöse uns Menschen aus Unterdrückung
    und Abhängigkeit, damit wir dir in Freiheit dienen.
  • Dein Wort führt in die Zukunft:
    Lass uns auf dein Kommen hoffen und schenke uns dein Erbarmen, wenn wir vor deinem Gericht stehen.
  • Dein Wort schenkt Leben:
    Stehe den Sterbenden bei und erwecke die Toten zur ewigen Gemeinschaft bei dir.

Herr, deine Worte werden nicht vergehen. Sie gelten alle Tage und wirken unter uns, jetzt und bis in Ewigkeit.


Meditation:
Was uns leben lässt

Wir lassen uns durch vieles treffen,
aber was macht uns betroffen?

Wir suchen vieles,
aber was finden wir auch?

Wir sehen vieles,
aber was schauen wir?

Wir reden viel,
aber was verändert uns?

Wir denken viel,
aber was will das Herz?

Wir nehmen viel in die Hände,
aber was begreifen wir wirklich?

Wir bitten viel,
aber was beten wir?

Wir gehen viel,
aber was ist unser Ziel?

Wir hoffen auf vieles,
aber was lässt uns leben?

F. Ferstl