2. Fastensonntag: „GOTTES Hand zwischen mir und jeder andren Hand“

Fastenzeit 2016: Weg der Barmherzigkeit

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1. Fastensonntag
„GOTTES Hand zwischen mir und jeder andren Hand“

EINLEITUNG
Im Hinblick auf das von Papst Franziskus für heuer ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit haben wir für unsere Pfarre für die heurige Fastenzeit das Motto „Weg der Barmherzigkeit“ ausgewählt.

Durch jeden Fastensonntag führt uns ein Vers aus einem alten irischen Gebet: Heute ist es die Zeile:

„GOTTES HAND zwischen mir und jeder andren HAND“

Gott hat mich in seine Hand eingezeichnet, er hält seine Hand über mir. Ich bin ein Geschöpf Gottes, das aufgerufen ist, die Welt mitzugestalten. Diesen Ruf zu verwirklichen erweist sich für uns Menschen oft sehr schwierig: Was soll ich tun? Welches Verhalten ist gut und angebracht? – Diese ethische Frage findet man in allen Kulturen und Religionen; man denke dabei besonders an die uns allen bekannte goldene Regel „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso.“ (Mt 7,12;Lk 6,31). Diese Verhaltensregel ist im chinesischen Raum von Konfuzius fast ident formuliert „Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.“ (Konfuzius, Gespräche 15,23) und wurde von Mohammed im Islam als sehr wichtig gewertet: „Keiner von euch ist ein Gläubiger solang er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht.“ (40 Hadithe von an-Nawawi 13, Sprüche Muhammads).
Die biblischen Texte heute wollen uns sagen, dass wir in unserem Handeln nicht allein gelassen werden, weil uns Gott in seine Hand geschrieben hat. Sie zeigen uns aber auch, dass unser Handeln bzw. unsere Taten Möglichkeiten schaffen, Bedingungen beeinflussen und etwas bewirken können, sowie verschränkte Hände bzw. Nichtstun ein Handeln ist, das Folgen mit sich zieht.
Wir wollen in der heutigen Eucharistiefeier dem Gedanken nachgehen, wie Gott durch mich und dich handelt und einige Antworten davon mit nachhause nehmen.

 

LESUNG: Ps 139 (gekürzt)
Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.
Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen.
Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke.
Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen.
Deine Augen sahen, wie ich entstand, in deinem Buch war schon alles verzeichnet.
Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne mein Denken!
Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg!

EVANGELIUM: Lk 6,6-11
An einem anderen Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Dort saß ein Mann, dessen rechte Hand verdorrt war.
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer gaben Acht, ob er am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.
Er aber wusste, was sie im Sinn hatten, und sagte zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Der Mann stand auf und trat vor.
Dann sagte Jesus zu ihnen: Ich frage euch: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zugrunde gehen zu lassen?
Und er sah sie alle der Reihe nach an und sagte dann zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er tat es und seine Hand war wieder gesund.
Da wurden sie von sinnloser Wut erfüllt und berieten, was sie gegen Jesus unternehmen könnten.

 

PREDIGT von Pfarrer Dietmar D. Stipsits
Liebe ChristInnen!

„Tu Gutes!“ Im Grunde genommen kann ich mit diesen beiden Wörtern gelebtes Christsein, wie Jesus es sich vorstellt, pointiert zusammenfassen. Und dabei gibt es keinerlei Grenzen. Selbst religiöse Vorschriften dürfen niemanden daran hindern, Gutes zu tun, versucht uns Jesus mit dem heutigen Evangelium zu erklären.

„Tu Gutes!“ – Wie kann ich das konkret leben, hab ich mich gefragt, und eine Antwort darauf fand ich im Buch „Wie ein Baum mit tiefen Wurzeln“ (SCM-Verlag, Holzgerlingen, 2010, Seite 342):

– „Hör zu!“ – Einfach nur mal zuhören, den andern nicht unterbrechen, keinen Rat oder keine Meinung abgeben, bloß ein offenes, hörendes Ohr haben für meinen Nächsten.
– „Schenke Nähe!“ – das kann eine Umarmung, ein Händedruck, ein Kuss, eine zärtliche Massage sein.
– „Lächle immer wieder!“ – Schenke immer wieder ein Lächeln, strahle deine Mitmenschen an, erlaube dir oft einen freundlichen Blick.
– „Ermutige den andern“ – ein ermutigendes Wort ist viel hilfreicher, als den andern laufend zu provozieren oder fertig zu machen oder im andern nur das Schlechte zu sehen.
– „Schätze dein Gegenüber“ – z. B. mit den Worten „Ich freu mich, dich zu sehen!“ oder „Du schaust heute aber besonders hübsch aus!“ oder „Das hast du wirklich gut gemacht!“ zeigst du dem andern, wie sehr du ihn schätzt.

Das sind ganz kleine Beispiele, wie ich dieses „Tu Gutes!“, zu dem mich Jesus einladen möchte, umsetzen kann. Ich muss dies nicht alleine, nur mit meinen eigenen Kräften tun, sondern ich darf dies verwirklichen, weil Gott mich dazu befähigt, weil er „mein Innerstes geschaffen hat“, weil er mich „so wunderbar gestaltet hat“, wie es der Psalm 139 sagt.

Ja, Gott braucht mich, damit seine Sorge, seine Liebe, seine Leidenschaft, seine Barmherzigkeit sichtbar und vor allem erfahrbar wird in der Welt. Und dies kann nur in der Haltung der „Goldenen Regel“ geschehen: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen“ (Lk 6,31). Überaus interessant finde ich es, dass diese „Goldene Regel“ in allen (!) Weltreligionen gilt.

Und wie dieses „Tu Gutes!“ durch die Gemeinschaft der Weltreligionen umgesetzt werden kann, wurde hervorragend in der „Erklärung zum Weltethos“ (http://www.weltethos.org/erklärung zum weltethos/) in Chicago im Jahr 1993 dargelegt. Gerade heute, wo so viele Menschen auch berechtigte Ängste gegenüber dem Islam haben, zeigt diese Erklärung der Weltreligionen, dass ein Miteinander aller möglich und lebbar ist: „Tu Gutes!“ heute und jeden Tag aufs Neue bis in Ewigkeit.

 

FÜRBITTEN

Barmherziger Vater, du hast uns in deine Hand eingezeichnet und möchtest uns einen Weg zu einem glücklichen Leben zeigen. Dir wollen wir nun unsere Fürbitten entgegenbringen:

• Schenke uns die Gewissheit, dass wir in unserem Handeln nicht alleine sind und dir vertrauen dürfen.
(A: Wir bitten dich erhöre uns)

• Gib uns ein offenes Herz, das den Nächsten mit offenen Händen empfängt.

• Schenke uns die Gabe und das Gespür unsere Hände zur Hilfe, zur Segnung oder zum Trost den anderen Menschen entgegen reichen zu können.

• Lass uns mutig sein, wenn andere sich abwenden oder die Hände verschränken.

• Lass uns immer wieder in Zeiten der Einsamkeit, Not, Verzweiflung und Unsicherheit deine zuwendende Liebe spüren, die deine Hand uns schenken möchte.

Im Vertrauen auf deine Hilfe gehen wir unseren Weg, jetzt und bis in Ewigkeit. Amen.

 

MEDITATION

PSALM 139 (Auswahl und Übertragung von Jörg Zink)
Ich bin in dir
Mein Gott, du siehst in mein Herz.
Du kennst mich.
Wie schön, dass du mir nahe bist
und ich geborgen bin bei dir.

Du siehst meine Sorge und Angst.
Du siehst alle meine Fluchtwege.
Du hörst alle meine Ausflüchte,
mit denen ich verbergen will, was ist.

Du siehst mich, wenn ich träume
von großen Dingen, die ich tun will,
und wenn ich versage dort,
wo ich das Notwendige tun soll.

Wie in zwei großen Händen
hältst du mich.
Ich bin darin geborgen
wie ein Vogel im Nest.

Und manchmal fürchte ich,
ich sei dein Gefangener
wie ein Vogel im Käfig.

Manchmal, o Gott, ist mir bange
vor deiner Hand die mich hält:
ich möchte ihr gerne entrinnen
und frei sein.

Ich zweifle, dass mein Leben Sinn hat,
und möchte es von mir werfen;
aber auch bei den Toten bist du,
und wieder bin ich in deiner Hand.

Mein Gott, du siehst in mein Herz.
Du kennst mich.
Wie gut, dass du mir nah bist
und ich geborgen bin bei dir.