5. Fastensonntag: „GOTTES Wille zwischen mir und jedem andren Willen“

Fastenzeit 2016: Weg der Barmherzigkeit

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5. Fastensonntag
„GOTTES Wille zwischen mir und jedem andren Willen“

EINLEITUNG

Im Hinblick auf das von Papst Franziskus für heuer ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit haben wir für unsere Pfarre für die heurige Fastenzeit das Motto „Weg der Barmherzigkeit“ ausgewählt.

Durch den heutigen 5. Fastensonntag führt uns ein Vers aus einem alten irischen Gebet:

„Gottes WILLEN zwischen mir und jedem andren Willen
solcherart kann mich kein Gift versehren!

Der eigene Wille, die Selbstbestimmtheit ist in „unserer“ Welt ein kostbares Gut.

Viele von uns streben danach, ihr Leben nach dem eigenen Willen zu gestalten: Schulwahl, Wahl der Ausbildung, Berufswahl, Wahl des Partners/ der Partnerin, Frage nach dem Kinderwunsch, die Wahl des Lebensmittelpunkts, der Ernährung, der Freizeitbeschäftigungen, der Freundinnen und Freunde, die Wahl des Urlaubszieles, die Suche nach dem passenden Wahlarzt, … und schließlich auch: der letzte Wille – wer soll nach meinem Tod mein Andenken verwalten, meine Habseligkeiten besitzen?

Es gilt eigentlich pausenlos Entscheidungen zu treffen, sich die Frage zu stellen: was will ich eigentlich? und wenn ich mich entschieden habe, immer wieder die Frage: will ich es noch?

Bei genauerer Betrachtung wird uns schnell klar, dass die Frage nach dem Willen eines Menschen schon fast LUXUS in unserer Welt beschreibt. Viele Frauen und Männer können ihren Arbeitsplatz, ihr Leben, ihre Beziehung nicht nach ihrem Willen gestalten.

Abhängigkeiten und Unfreiheiten zu erfahren sind bittere Realitäten unserer Zeit.

Andererseits leiden wir aber auch darunter viele Entscheidungen treffen und somit auch die Verantwortung tragen zu müssen.

„Gottes Wille zwischen mir und jedem andren Willen“

Die Texte der heutigen Lesungen wollen uns zeigen, dass Gottes Willen zu folgen keineswegs blinden Gehorsam bedeutet. Vielmehr will Gott, dass wir an Freiheit gewinnen. Er stellt sich mit seinem Willen zwischen uns. Aus einer „ich will- du willst-Pattsituation“ soll eine „win-win-Situation“ werden.

Die Entscheidung dem Willen Gottes im Leben Raum zu geben, eröffnet neue Perspektiven. Gottes Wille und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand.

Ob das auch Entlastung bringen kann, sollen uns die Texte der heutigen Liturgie näherbringen.

„Freu dich, denn Gott hat dich so in der Hand,
dass du dich in keiner Weise
auf die eigene Sicherheit zu stützen brauchst.“
Hildegard von Bingen

LESUNG aus dem Buch Jesaja 43,16-21

So spricht der Herr,
der einen Weg durchs Meer bahnt,
einen Pfad durch das gewaltige Wasser,
der Wagen und Rosse ausziehen läßt,
zusammen mit einem mächtigen Heer;
doch sie liegen am Boden und stehen nicht mehr auf,
sie sind erloschen und verglüht wie ein Docht.
Denkt nicht mehr an das, was früher war;
auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten.
Seht her, nun mache ich etwas Neues.
Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?
Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe
und Straßen durch die Wüste.
Die wilden Tiere werden mich preisen,
die Schakale und Strauße,
denn ich lasse in der Steppe Wasser fließen
und Ströme in der Wüste,
um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken.
Das Volk, das ich mir erschaffen habe,
wird meinen Ruhm verkünden.

 

EVANGELIUM aus Joh 8,1-11

Jesus ging zum Ölberg.
Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel.
Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es.
Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau,
die beim Ehebruch ertappt worden war.
Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm:
Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt.
Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen.
Nun, was sagst du?
Mit dieser Frage wollten sie ihn auf die Probe stellen,
um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen.
Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde.
Als sie hartnäckig weiterfragten,
richtete er sich auf und sagte zu ihnen:
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.
Als sie seine Antwort gehört hatten,
ging einer nach dem anderen fort,
zuerst die Ältesten.
Jesus blieb allein zurück mit der Frau,
die noch in der Mitte stand.
Er richtete sich auf und sagte zu ihr:
Frau, wo sind sie geblieben?
Hat dich keiner verurteilt?
Sie antwortete: Keiner, Herr.
Da sagte Jesus zu ihr:
Auch ich verurteile dich nicht.
Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!

 

PREDIGT von Pfarrer Dietmar Dominik Stipsits

Liebe ChristInnen!

Was ist Gottes Wille? Diese Frage ist bei mir aufgetaucht, als ich mich mit dem Vers aus dem alten irischen Gebet auseinandergesetzt habe: „Gottes Willen zwischen mir und jedem andren Willen.“ Was ist der Wille Gottes? Eine Frage, die sich wie ein roter Faden durch die ganze Kirchengeschichte zieht, so meine ich. Eine Antwort auf diese Frage ist für mich persönlich, dass Gott zu mir sagt: „Ich verurteile dich nicht!“

Wenn ich so in das Alltagsleben heute schaue und auch auf mich selber, dann sehe ich, wie ich oft ganz anders handle. Da be- und verurteile ich sehr oft Menschen, weil sie mich vielleicht verletzt haben oder mir die Realität konkret vor Augen geführt haben, ich mich und meinen Standpunkt jedoch nicht verändern möchte und deshalb mein Gegenüber verurteile und schlecht mache.

Noch eine weitere Sichtweise taucht in mir auf, wenn ich mir bewusst mache, dass Gott zu mir sagt: „Ich verurteile dich nicht!“ Nämlich der Blick auf meine Überforderungen und zu hoch gesteckten Ideale. Wie geht’s mir, wenn ich selber Fehler mache? Kann ich mir das zugestehen und wohlwollend sagen: „Aha, das war jetzt nicht in Ordnung, da hast du etwas gesagt oder getan, was falsch war“?

Gestehe ich mir selber zu, dass mitunter bei und in mir noch einiges fehlt, sich noch einiges weiterentwickeln kann, ja muss, dass ich also (mein Leben lang) noch was lernen kann? Wie geht’s mir mit meinem Leben, so, wie es sich bisher entwickelt hat? Kann ich wirklich „ja“ dazu sagen? Wie geht’s mir mit meiner persönlichen Begabungen und Charaktereigenschaften, meinen Stärken und Schwächen? Bin ich mit mir zufrieden? Wie geht’s mir mit meinem Äußeren, mit meinem Aussehen? Mag ich mich so, wie ich bin? Auch da fragt mich Jesus: „Hat dich niemand verurteilt?“ Und er fragt noch persönlicher nach: „Du selber verurteilst dich auch nicht?“

Oft sind es tatsächlich vor allem meine eigenen Zwänge, Ängste, mein enges Gewissen, meine Schuldgefühle und Minderwertigkeitskomplexe, die mich verurteilen, nicht Gott. Gott spricht immer frei! Natürlich habe ich die Möglichkeit mich zu verändern, einen Kurswechsel vorzunehmen. Aber nur in der warmen Atmosphäre der Barmherzigkeit Gottes und der menschlichen Liebe gelingt mir das.

Was also ist für mich der Wille Gottes? – Verurteile dich nicht, denn Gott verurteilt dich auch nicht! Vergib dir alles, und du wirst die Vergebung Gottes spüren! Hab Mut, auch Fehler zu machen! Du fällst niemals aus dieser Liebe heraus, oder wie es Hildegard von Bingen sagte: „Freu dich, denn Gott hat dich so in der Hand, dass du dich in keiner Weise auf die eigene Sicherheit zu stützen brauchst“ – heute und alle Tage deines Lebens bis in Ewigkeit.

 

FÜRBITTEN:

Gott, wir kommen zu dir und bitten und hoffen auf einen neuen Weg mit dir:

  1. Für Menschen, die weder sich noch anderen vertrauen.

Wir bitten dich erhöre uns.

  1. Für Menschen, die meinen, immer ihren Willen durchsetzen zu müssen.

Wir bitten dich erhöre uns.

  1. Für Menschen, die merken, dass sie von anderen ausgenutzt werden.

Wir bitten dich erhöre uns.

  1. Für Menschen, die auf der Suche nach Gottes Willen sind.

Wir bitten dich erhöre uns.

Stärke uns im Vertrauen auf dich und lass uns das Risiko des Lebens miteinander wagen.
Darum bitten wir durch Christus unseren Bruder. Amen.

 

MEDITATION

Um Gottes Willen

mein Wille überfordert mich
ich weiß nicht aus, noch ein

mach mich um Gottes Willen willen-los
damit ich nicht mir
damit ich nicht anderen folgen muss

halt mich um Gottes Willen in deinem Willen, in deiner Hand
damit ich nicht auf mich
damit ich nicht auf andere „reinfalle“
sondern nur in deine Hand

mach mich um Gottes Willen willens-stark
damit ich meine Sicherheiten wegschmeiße:
ich kann mich freuen und führen lassen
kann hören und vertrauen
auf deinen Willen
zwischen mir und jedem anderen Willen

Heike Bauer-Hoffmann