2. Fastensonntag: Gesund lebt, wer loslassen kann

Fastenzeit 2017:
„Gesund lebt, wer Freude hat an der Weisung des Herrn.“
Mensch, wo bist du? Gott, wo bist du?

Jeden Sonntag hören wir eine Weisung, die uns gut tut, die uns gesund machen kann.

2. Fastensonntag:
Gesund lebt, wer in seiner Trauer seine Verluste loslassen kann.
Denn was du an Liebe verlierst, wirst du endgültig und umfassend in Gottes Liebe wiederfinden
.

Die heutige Lesung berichtet davon wie der Glaubensvater Abraham mit so einem Verlust umgeht. Er lässt alles hinter sich, seine Heimat, seine Verwandtschaft und seine Familie. Dafür gewinnt er einen unvorstellbar großen Segen von Gott, der ihm großes Vertrauen und große Hoffnung schenkt.

Wer aufbrechen will, muss loslassen können. Ich muss das (ver-) oder (zurück)lassen, das mich festhält, weil das, an dem ich gerne festhalte, wie z.B. Sicherheit, Geborgenheit oder Heimat, sehr oft zu einem Gefängnis wird. Erst durch das Loslassen, kann ich die neu geschenkte Freiheit erkennen und erleben.

Wollen wir deshalb von Abraham lernen, dass auch wir in den verschiedenen Lebenssituationen nicht immer perfekt funktionieren müssen, sondern auch mal loslassen dürfen oder etwas ziehen lassen müssen: Für den einen mag es die Veränderung einer unbefriedigenden beruflichen Situation sein, für den anderen kann es die Lösung aus einer Freundschaft oder familiären Situation sein, die nicht mehr trägt. Vielleicht ist es eine liebgewordene Gewohnheit, von der ich nicht lassen kann oder eine Meinung bzw. ein Vorurteil, das andere nicht leben lässt. Loslassen kann ich auch von einem falschen Bild von Gott, das mich in meiner Freiheit einschränkt und meine Person krank macht.

In der heutigen Eucharistiefeier möchten wir wieder der zentralen Frage nachgehen, wo wir selbst stehen und uns auf die Suche machen, wie wir loslassen können, um neu leben und neu lieben zu lernen.

 

Lesung: Gen 12 1-4a:

Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot.

 

Evangelium: Mt 13,44-46

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

„Zieh weg aus deinem Land…“ (Gen 12,1), „lass los“, sagt Gott zu Abraham. Und dieser Abraham wagt es tatsächlich, Heimat und Vaterhaus zu verlassen, damit sich Neues ereignen kann. Der Gott des Alten Testaments ist ein Gott des Aufbruchs, ein Gott, der den Menschen weiterführt, aus der Selbstbezogenheit und aus dem Festhalten an das Bisherige, aus dem Gewohnten hin zu neuen Horizonten, zu neuem Leben. Auch bei der Berufung der Jünger durch Jesus wird das klar. Die Jünger verlassen auf Jesu Wort hin ihren bisherigen Beruf und folgen Jesus. Ganz Neues tut sich auf!

Loslassen – ein Thema, das sich in meinen Augen durch die gesamte Bibel hindurchzieht. Und immer wird das Loslassen verbunden mit einer Zusage: „Gott ist mir dir.“ Wer bereit ist loszulassen, der fällt nicht ins Bodenlose, sondern Gott begleitet ihn, Gott ist an seiner Seite, Gott ist (dir) treu.

Wo ist bei mir und in meinem Leben ein Loslassen notwendig und angesagt? Wie sieht es z. B. aus mit meinem eigenen Idealbild, mit dem Bild, das ich von mir selber habe? Überfordere ich mich womöglich nicht ständig? Meine ich, ein Super-Mensch zu sein, der alles kann und alles machen muss? Oder wie sieht es in meinem Beruf aus, ist da evt. ein Loslassen, eine Veränderung überfällig, weil es so nicht weitergehen kann, weil mir mein momentaner Beruf schlicht und einfach nicht guttut, sondern krankmacht?

Oder ein Blick in meine Ehe, in die Familie, in die Verwandtschaft oder in meinen Freundeskreis. Gibt es Beziehungen, in denen ich nur ausgenutzt werde oder Beziehungen, die mein Leben einfach nur blockieren? Oder wie sieht es mit meinen Kindern aus? Bin ich bereit, meine Kinder loszulassen? Jede Generation macht diese Erfahrung, dass sich die Kinder von ihren Eltern lösen und ihre eigenen Wege gehen. Bin ich bereit zum Loslassen? Sehr oft erlebe ich es, wie schwierig es Eltern fällt, ihre Kinder gehen zu lassen. Die Eltern verkraften es oft nicht, was doch ganz natürlich ist: Dass ihre Kinder groß und selbständig werden, ihre eigenen Wege suchen und gehen.

Loslassen hat für mich immer auch mit Angst zu tun. Wenn ich Altes und Gewohntes loslasse, dann kann das viel Unsicherheit in mir verursachen. Ich gebe es zu, dass ich ein Gewohnheitstier bin, und mir daher das Loslassen sehr schwer fällt. Die Bibel erzählt mir in vielen verschiedenen Geschichten, dass der, der es lernt, in seinem Leben immer wieder loszulassen, dass der nicht in ein Loch fällt, sondern dass sich ihm eine neue, gute Welt öffnet.

Die heutige Lesung über Abraham erzählt genau darüber: Wer es lernt, alte Pfade loszulassen, der nur wird sich weiterentwickeln, Neues erleben und dabei selber wachsen und reifen. Für mich stimmt daher der Satz: „Gesund lebt, wer loslassen kann!“, auch wenn das stets mit Anstrengungen und Entscheidungen fordernd und mitunter auch mit Schmerzen verbunden ist, z. B. wenn ich einen mir liebgewordenen Menschen loslassen muss, weil er gestorben ist. Ich vertraue in all diesen verschiedenen Situationen des Loslassens darauf – so wie es auch Abraham getan hat – dass Gott mir zusagt: „Ich bin mit dir, ich verlasse dich nicht, du kannst auf mich bauen, ich stehe dir bei.“

Gesund lebt, wer loslassen kann, weil Gott mir treu ist und mich trägt – gestern und heute und bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Guter Gott, Großes hast du einst unseren Glaubens-Vätern und Glaubens-Müttern angekündigt, du bist ihnen stets mit deinem Bund und deinem Segen zur Seite gestanden und hast schließlich alles in Jesus Christus vollendet. Wir wollen zu dir beten:

  • Schenke allen den Mut, wenn es nötig ist, neu aufzubrechen und sich von Dingen, Menschen oder Gewohnheiten zu lösen, die uns nicht gut tun und schenke uns die nötige Weisheit, uns richtig zu entscheiden.
  • Bestärke alle, die das Gefühl haben, in ihrem Leben an einem toten Punkt angekommen zu sein und lass sie wieder zur Mitte ihres Lebens zurückfinden.
  • Stärke die Kirche auf ihrem Weg zwischen Macht und Demut, damit sie den Menschen ein Wegweiser sein kann für alle, die sich aufmachen zu dir.
  • Vielen “Schätzen” laufen wir nach in unserem Leben. Hilf uns, den Schatz zu finden, der uns glücklich und gesund macht und den du für uns bestimmt hast.

Wie du einst Abraham auf seinem Weg ins gelobte Land begleitet hast, sei uns auch heute nahe auf unserem Lebensweg, jetzt und bis in Ewigkeit. AMEN.

 

Meditation:

Auf dein Wort hin

trotz
meiner Fragen
meiner Verzweiflung
meiner Einsamkeit
meinem Verlorensein
meiner Heimatlosigkeit
meiner Ohnmacht
meiner Kraftlosigkeit
meiner Ratlosigkeit
meiner Traurigkeit
meinen Dunkelheiten

hinausfahren
die Netze auswerfen
und
das Leben
an mich ziehen

(Andrea Schwarz)