4. Fastensonntag: „Erlöse uns von dem Bösen“

4. Fastensonntag 2013
Thema: „Erlöse uns von dem Bösen“

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1. Einleitung:

Für die heurige Fastenzeit hat der Liturgiekreis unserer Pfarre das „Vater Unser“ als Leitfaden gewählt. Weil es uns so vertraut ist, sprechen wir es manchmal vielleicht  zu gedankenlos. Daher wollen wir an jedem Fastensonntag eine Zeile, eine Bitte herausnehmen und diese für unser Leben wieder neu entdecken und erschließen.

Heute ist es die Bitte: „Erlöse uns von dem Bösen!“

Viele jammern über die heutige Zeit, dass immer mehr Böses in der Welt geschieht und dass die Menschen immer böser werden. Ich glaube nicht, dass die Zeit, in der Jesus die Jünger damals das „Vater Unser“ gelehrt hat, besser, sicherer oder schöner gewesen ist als die unsere heute.

Bei der Vorbereitung im Liturgiekreis tauchten für uns drei Fragen auf:

1. Wo geschieht Böses?
2. Woher kommt das Böse?
3. Was können wir gegen das Böse tun?

Diesen drei Fragen wollen wir in der Eucharistiefeier heute nachgehen und vielleicht einige Antworten finden, die dann in der Bitte münden: „ … sondern erlöse uns von dem Bösen!“

2. Lesung: Lesung aus dem Buch Jesus Sirach (Sir 15,11-17):

Sag nicht: Meine Sünde kommt von Gott.
Denn was er hasst, das tut er nicht.
Sag nicht: Er hat mich zu Fall gebracht.
Denn er hat keine Freude an schlechten Menschen.
Verabscheuungswürdiges hasst der Herr;
alle, die ihn fürchten, bewahrt er davor.
Er hat am Anfang den Menschen erschaffen und ihn der Macht
der eigenen Entscheidung überlassen.
Er gab ihm seine Gebote und Vorschriften.
Wenn du willst, kannst du das Gebot halten;
Gottes Willen zu tun ist Treue.
Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt;
streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt.
Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; was er begehrt, wird ihm zuteil.
Wort der Hl. Schrift.

3. Evangelium: Mt 15,17-20a

Da sagte Jesus: Begreift ihr nicht, dass alles, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, in den Magen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird?
Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein.
Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen.
Das ist es, was den Menschen unrein macht.

4. Predigt:

Liebe ChristInnen!

„Erlöse uns von dem Bösen“, ja, diese Bitte spreche ich immer wieder aus, wenn ich selber in meinem persönlichen Bereich aber auch im Zusammenspiel mit anderen, in Gruppen, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und Politik, natürlich auch in unserer Kirche Böses erfahre.

Das Böse scheint dann oft seinen Lauf zu nehmen und eine Eigendynamik zu bekommen und man weiß nicht mehr recht, wer eigentlich schuld daran ist und wie man es stoppen soll. Böses geschieht nicht nur zwischen einzelnen Personen, sondern auch in Strukturen. Man denke dabei bloß an den Nationalsozialismus oder in unseren Tagen an die Korruption in allen möglichen Bereichen, an die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung armer Länder durch den Kapitalismus und durch die Gewinnsucht, immer mehr haben zu wollen…

Seit es Menschen gibt, versuchen wir zu ergründen, woher das Böse kommt. Religionen, die ein dualistisches Prinzip, ein Doppelprinzip haben, können leichter diese Frage beantworten. Sie gehen nämlich davon aus, dass am Anfang das Gute und das Böse einander gleichwertig gegenüberstanden.

Christliche Fundamentalisten oder Gruppen wie die Zeugen Jehovas schieben die Schuld für das Böse ganz einfach dem Satan, dem Teufel in die Schuhe, sie personifizieren das Böse. Der Teufel ist es, der den Menschen zum Bösen verleitet. Diese Schwarz-Weiß-Malerei wird der Bibel aber nicht wirklich gerecht.

Die Bibel versucht zu erklären, z. B. in den beiden  Schöpfungserzählungen im Buch Genesis, dass von Gott alles Gute kommt, dass er die ganze Schöpfung und uns Menschen als „sehr gut“ geschaffen hat: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ (Gen 1,31) Aber in der Freiheit, in die er seine Schöpfung und besonders den Menschen entlässt, steckt auch die Möglichkeit der Missachtung von Grenzen und der Verletzung dieser guten Ordnung. Das wird uns in der Erzählung vom Paradies aufgezeigt.

Das Böse kommt also sowohl vom Menschen selbst, aus seinem Herzen, es steckt aber auch im System der geschenkten Freiheit, wo Gott Böses zwar nicht geschaffen hat, aber zulässt. Das Böse geht also nicht ausschließlich zu Lasten des Menschen … Das nimmt uns auch den Druck, ganz allein damit fertig werden zu müssen.

„Erlöse uns von dem Bösen“. Was kann ich tun, um dem Bösen zu widerstehen? Zunächst bin ich für mich selber und für mein Leben, für meine Taten verantwortlich. Ich kann mir also bewusst machen im Alltag, wo ich das Böse vermeiden und Gutes tun kann – mir selber gegenüber und im gemeinschaftlichen Miteinander.

So sehr ich mich jedoch anstrenge, ich werde trotzdem nicht immer und umfassend gut sein in meinem Leben, selbst wenn ich weiß, was gut und böse ist. Jesus ging den Menschen nach, damit sie zu ihrer Ganzheit finden können, damit sie ident sind, sich selbst annehmen lernen.

Nur wenn ich mit mir selber im Reinen bin, ident bin mit mir, wenn ich lerne, mich und mein Leben entsprechend der frohmachenden Botschaft Jesu anzunehmen, dann erst bin ich wirklich gut, zu mir selber und zu den anderen. So möchte uns Jesus vom Bösen erlösen – heute und morgen und bis in Ewigkeit.

5. Meditation:

Erbarmen erfahren

Mit deinem Erbarmen
komm uns entgegen
wir brauchen deine Zuwendung
Sie durchbricht die Spirale des Bösen.
Du zeigst uns:
die Menschen sind nicht böse, weil sie böse sein wollen,
sondern weil sie leiden, weil sie verwirrt sind,
weil sie sich verrannt haben und sich nicht auskennen.

Du sagst, man muss ihnen nachgehen,
muss ihnen helfen, muss sie lieben.
Wenn ich mir selbst verzeihen kann
wenn ich andern Versöhnung schenken kann
dann wird dein Frieden in Gerechtigkeit
zum Sinn meines Lebens

Nach Pierre Stutz, Du hast mir Raum geschaffen, Verlag Herder, Fr. i. Br. 2003, 87. und Eugen Drewermann, ein Interview.