1. Fastensonntag: „GOTTES Auge zwischen mir und jedem andren Auge“

Fastenzeit 2016: Weg der Barmherzigkeit

1barmherziger_samaritaner

1. Fastensonntag
„GOTTES Auge zwischen mir und jedem andren Auge“

Einleitung
Im Hinblick auf das von Papst Franziskus für heuer ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit haben wir für unsere Pfarre für die heurige Fastenzeit das Motto „Weg der Barmherzigkeit“ ausgewählt.

Durch jeden Fastensonntag führt uns ein Vers aus einem alten irischen Gebet : Heute ist es die Zeile:

„GOTTES Auge zwischen mir und jedem andren Auge“

Gott hat ein Auge auf mich geworfen. Er lässt mich nicht aus den Augen. Wie der barmherzige Vater den Sohn schon von weitem sieht, weil er längst Ausschau gehalten hat nach ihm, so begleitet mich Gottes Blick durch mein Leben. Es beginnt mit dem Auge, mit dem aufmerksamen Sehen. Ein Blick lässt Kommunikation zu oder schafft Ablehnung, ist einladend oder abweisend.

Jean Paul Sartre sagt: „Im Blick entsteht das Du.“
Bleibt mein Blick an der Oberfläche hängen oder lasse ich mich von dem berühren, was ich sehe?

Saint Exypery drückt das im Buch „Der kleinen Prinz“ so aus:
„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“

Im Wissen um unsere menschliche Schwachheit und im Vertrauen auf Gottes umfassende Barmherzigkeit wollen wir im Kyrie sein Erbarmen herabrufen.
Kyrie gesungen

 

Lesung aus dem Buch Deuteronomium (Dtn 26,4–10)

In jenen Tagen sprach Mose zum Volk:
Wenn du die ersten Erträge von den Früchten des Landes darbringst,
dann soll der Priester den Korb aus deiner Hand entgegennehmen
und ihn vor den Altar des Herrn, deines Gottes, stellen.
Du aber sollst vor dem Herrn, deinem Gott,
folgendes Bekenntnis ablegen:
Mein Vater war ein heimatloser Aramäer.
Er zog nach Ägypten,
lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten
und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.
Die Ägypter behandelten uns schlecht,
machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf.
Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter,
und der Herr hörte unser Schreien
und sah unsere Rechtlosigkeit,
unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis.
Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm,
unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten,
er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land,
ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Und siehe,
nun bringe ich hier die ersten Erträge von den Früchten des Landes,
das du mir gegeben hast, Herr.
Wenn du den Korb vor den Herrn, deinen Gott, gestellt hast,
sollst du dich vor dem Herrn, deinem Gott, niederwerfen.

 

Evangelium: Lk 10, 30-37
Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort?
Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.
Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben.
Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?6
Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen.
Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.
Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter.
Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid,
ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?
Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat.
Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

Jesus sieht mich! Dieser erste Gedanke ist mir gekommen, als ich das Gleichnis vom barmherzigen Samariter meditiert habe. Und dabei kann man in diesem Mann aus Samarien, den Jesus dem Gesetzeskundigen als Vorbild wie er handeln, wie er leben soll, vor Augen stellt, Jesus selbst erkennen. Jesus geht demnach nicht an mir, der ich verletzt am Boden liegen, achtlos vorbei, sondern er sieht mich und hilft mir. Und wie sieht Jesus mich?

Dabei muss ich sofort an den Psalm 139 denken, wo es heißt: „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen.“ (Ps 139,2f.).

Jesus sieht mich und weiß, was ich brauche und was mir gut tut, in jedem Moment meines Lebens. Sein mich Anschauen ist also kein prüfendes oder ausspionierendes, kein schlechtes Gewissen verursachendes oder gar bestrafendes Ansehen. Nein, Jesu Blick auf mich ist ein wohlwollender, ein helfender, ein heil-machender, ein barmherziger.

Bischof Franz Kamphaus hat das in einem Gebet in folgender Weise zum Ausdruck gebracht:

Du siehst den am Boden Liegenden.
Du gehst nicht vorbei.
Du beugst dich nieder.
Du rührst den Menschen an.
Du verbindest seine Wunden.
Du richtest ihn auf.
Du heilst ihn.
Samariter Christus!

Sieh mich an.
Geh nicht an mir vorbei.
Beuge dich über mich.
Rühre mich an.
Verbinde meine Wunden.
Richte mich auf.
Heile mich.
Samariter Christus!

Du rufst uns,
dass wir sehen,
dass wir nicht vorübergehen,
dass wir uns niederbeugen,
dass wir Menschen anrühren,
dass wir Wunden verbinden,
dass wir aufrichten,
dass wir heilen –
zusammen mit dir,
Samariter Christus!

In der letzten Strophe seines Gebetes hat Bischof Kamphaus auch noch den zweiten Gedanken, der mir im Betrachten des Gleichnisses aufgegangen ist, beschrieben: Weil mich Jesus sieht und nicht an mir vorübergeht, deshalb soll auch ich meinen Mitmenschen sehen, ihn wahrnehmen vor allem in seinen Ängsten, in seinem Verzweifeln, in seinem Verletztsein. Weil Jesus mich sieht und mich aufrichtet, bin auch ich berufen, meinem Mitmenschen zu sehen, mich zu ihm niederzubeugen und seine Wunden zu heilen.

Hinschauen auf Menschen, den Kopf also nicht abwenden von Menschen, die meiner Hilfe bedürfen. Wo muss ich meine barmherzigen Augen öffnen, um hilfebedürftige Mitmenschen in meinem Alltag nicht zu übersehen, sondern ihnen beizustehen und sie aufzurichten?

Jesus schaut mich barmherzig, d. h. für mich bedingungslos zärtlich-liebend an. Und genau so ladet er mich ein, diese seine zärtliche Barmherzigkeit meinem hilfesuchenden Nächsten weiterzuschenken – heute und jeden Tag aufs Neue bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:
Barmherziger Gott, Du hast unser Wohl im Blick.
Wir bitten dich:
Gib uns aufmerksame Augen, die wahrnehmen, was getan werden muss.
A: Wir bitten dich erhöre uns
Schenke uns offene Herzen, die sich berühren lassen vom Leid anderer.
Gib uns den Mut, den Schritt auf den Nächsten zuzugehen -ohne Vorurteil.
Schenke uns Vertrauen, dass auch im Fremden das Gute zu finden ist.
Gib uns die Weisheit, wie am besten geholfen werden kann.
Im Vertrauen auf deine Hilfe gehen wir unseren Weg, jetzt und bis in Ewigkeit. AMEN

 

Meditation:
Dein Auge zwischen mir
und jedem andren Aug
da fühl ich mich geborgen
wo ich keinen Ausweg seh
gibst Du mir Perspektiven
wenn ich am liebsten wegschaun möcht
drängst du erst recht mich, hinzusehn
im Blick entsteht ein Du
das Aug muss in die Seele reichen
man sieht nur mit dem Herzen gut