1. Fastensonntag: Gesund lebt, wer klein sein darf

Fastenzeit 2017:
„Gesund lebt, wer Freude hat an der Weisung des Herrn.“
Mensch, wo bist du? Gott, wo bist du?

Jeden Sonntag hören wir eine Weisung, die uns gut tut, die uns gesund machen kann.

1. Fastensonntag:
Gesund lebt, wer auch klein sein darf.

Klein sein zu dürfen und nicht den Großen spielen zu müssen… zu sich und zu seinen Fehlern zu stehen… darauf zu vertrauen, dass Gott dich so annimmt und liebt, wie du bist…

Ja, du darfst klein sein, du darfst auch Fehler haben…

Es geht nicht um höchste Leistungsfähigkeit, um Störungsfreiheit der „Maschine Mensch“,

es geht nicht um höchste Funktionstüchtigkeit in jeder Hinsicht: ewige Schönheit und ewige Jugend.

Unser Lebensweg soll nicht ein ansteigender Pfad beständiger Selbstoptimierung sein, der uns permanente Überwachung und Regulierung abverlangt, um ein perfektes Leben ohne Fehler führen zu können.

Das Wesen-t-liche des Menschen entfaltet sich erst dort, wo er vom rivalisierenden Sich-steigern-müssen ablässt, und sich vom Zwang, besser als andere sein zu müssen, distanziert.

Das Wesen-t-liche entfaltet sich in Gelassenheit im Vertrauen auf Gott, in der Seelenruhe des Menschen:

  • die Gegenwart in Ruhe und Gottvertrauen leben zu können, sich Zeit dafür zu nehmen, seine Rollen im Privat- und Berufsleben zu reflektieren,
  • die Prioritäten seiner Lebensziele für sich zu definieren,
  • Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden – nicht nur in seinem Leben, sondern auch Toleranz anderen gegenüber, denen man leichtfertig Fehler, Unterlassungen, Oberflächlichkeit… vorwirft,
  • sich seinen Stärken und Bedürfnissen zu widmen und damit Zufriedenheit zu erleben.

Mensch sein zu dürfen aus der Tiefe des Ursprungs und des Zieles, welche beide in Gott liegen.

Im Wissen um unsere menschlichen Schwächen und im Glauben an Gottes umfassende Barmherzigkeit wollen wir im Kyrie Dein Göttliches Erbarmen herabrufen.

Kyrie

Lesung: Genesis 2, 7-9

Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.   Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.

Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.

Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?

Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.

Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben.

Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.

Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.

Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.

 

Evangelium: Mt 4, 1-11

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits:

Liebe ChristInnen!

„Gesund lebt, wer auch klein sein darf“. Ein für mich im ersten Moment eigenartig klingender Satz. Eigenartig deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass derzeit in unserer Gesellschaft vor allem der Mensch etwas zählt, der 100 % Leistung erbringt, der sich als perfekt und ohne Fehler darstellt. Ein Mensch zu sein, der Fehler hat und diese Fehler auch zugeben darf, das ist m. E. heute alles andere als alltäglich.

Ich glaube und erfahre es bei mir selber, dass es wohl eine der schwierigsten Aufgaben in meinem Leben ist, gut mit mir umzugehen, wenn ich Fehler gemacht habe, schuldig geworden bin, versagt habe. Aus der Bibel weiß ich natürlich, dass Gott den Menschen immer wieder vergibt, wenn sie gesündigt haben, aber trotzdem fällt es mir sehr schwer, mir selber zuzusprechen, dass Gott zu mir barmherzig ist, wenn ich einen überaus peinlichen Fehler gemacht habe, zudem wenn ihn andere Menschen mitbekommen haben.

Da geschieht es dann regelmäßig bei mir, dass ich mich selbst beschuldige, mich innerlich niedermache, wie unfähig und schwach ich bin. Oder ich zerbrech mir den Kopf darüber, wie dieser Fehler überhaupt geschehen konnte. Ich gehe dann oft die Situation gedanklich nochmals durch und kann nur den Kopf schütteln, dass mir das passieren konnte.

„Gesund lebt, wer auch klein sein darf.“ Das bedeutet für mich in diesem Fall, es geht nicht darum, dass ich meine Fehler vor mich und vor anderen entschuldige. Es geht nicht darum, dass ich stets mit einer weißen Weste vor den anderen dastehe. Das hilft mir nicht weiter. Nein, ich versuche dann vielmehr, meine Fehler Gott hinzuhalten, der mich auch in meiner Schuld, in meinem Kleinsein kennt und annimmt, mich nicht fallen lässt.

Mir nicht ständig mein Kleinsein, meine Fehler, meine Schuld, meine kleineren und größeren Unfähigkeiten vorhalten, mich dadurch nicht dauernd lähmen lassen, sondern mich meiner Schuld stellen, sie anschauen, sie zugeben und sie bearbeiten. Aber dann auch lernen, sie loszulassen, weil Gott mir vergeben hat. Und wenn Gott mir vergeben hat, dann muss ich auch mir selbst vergeben und darf mich nicht am Leben hindern, indem ich mir stets mein Kleinsein vorhalte und mich selber fertigmache.

„Gesund lebt, wer auch klein sein darf.“ Das ist für mich eine Einladung, trotz meines Kleinseins, trotz meiner Fehler das Wesentliche in mir zu entdecken: Was sind meine Lebensziele? Was ist mir wirklich wichtig und wieviel Zeit nehme ich mir dafür? Welche Stärken und Schwächen habe ich? Dabei meine Schwächen nicht verdrängen, aber nicht darin lebenslang stecken bleiben, sondern mir eingestehen, dass ich auch klein und schwach sein darf.

Gott will vor allem, dass ich meine Stärken und Fähigkeiten und auch meine Bedürfnisse entdecke und sie weiterentwickle, sie genieße und so gut mit mir selber umgehe. Das entspricht m. E. dem, was die Heilige Schrift mit barmherzig sein beschreibt. „Gesund lebt, wer barmherzig mit sich selbst umgeht, wer auch klein sein darf“. Möge mir Gott dazu Kraft schenken jeden Tag aufs Neue bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten

Es liegt im Wesen des Menschen Fehler zu machen. Was wir als Fehler definieren, hängt mitunter auch von der Zeit und von unterschiedlichen Perspektiven ab.

  1. Viele von uns leiden auch in unseren christlichen Gemeinschaften darunter, mit ihren Bedürfnissen nicht verstanden zu werden.

Gütiger Vater, lass sie verständnisvollen Seelsorgern begegnen und lass auch die in der Kirchenleitung Tätigen auf Suchende zugehen.

Wir bitten Dich, erhöre uns.

  1. Oft fühlen wir uns durch Vorurteile gekränkt, oft aber tragen wir selbst durch oberflächliche Bemerkungen dazu bei, dass unser Gegenüber sich „klein“ fühlen muss.

Gütiger Vater, lass uns mit deiner Zuwendung jedem unserer Mitmenschen respektvoll begegnen.

Wir bitten Dich, erhöre uns.

  1. Mit unserem Wunsch, für unsere Kinder das Beste zu wollen, gehen wir häufig an deren wirklichen Bedürfnissen vorbei und neigen dazu, sie zu überfordern.

Gütiger Vater, gib uns die Gelassenheit, die Heranwachsenden zu begleiten und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

Wir bitten Dich, erhöre uns.

  1. Im Zusammenleben in unserer Gesellschaft, aber auch in der Politik werden mitunter Erwartungen und Ziele nicht an geänderte Bedingungen angepasst.

Gütiger Vater, lass die Entscheidungen der Verantwortlichen von Flexibilität und Toleranz getragen sein.

Wir bitten Dich, erhöre uns.

Lasst uns mit Gottes Liebe und Güte diesen Zielen folgen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

 

Meditation

Passion / Leiden

unter Intoleranz,
Vorurteilen,
Leistungsdruck,
Oberflächlichkeit,
Ignoranz,
Überheblichkeit,…

Herr, gib mir die Kraft,
die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
die Gelassenheit,
das Unabänderliche zu ertragen
und die Weisheit, zwischen diesen beiden
Dingen die rechte Unterscheidung zu treffen.