4. Fastensonntag: Jesus wird seiner Kleider beraubt

Fastenzeit 2018
Leben – im Zeichen des Kreuzes auf unserem Weg

Leben in Ewigkeit, Auferstehung, Unsterblichkeit der Seele als Heilsbotschaft
am Ende des (Kreuz-) Weges im irdischen Dasein

Der heutige 4. Fastensonntag bringt uns den Gedanken: Menschenwürde – Menschenrechte.

Wir sehen dazu wieder eine Kreuzwegstation aus der Pfarrkirche von Piran in Slowenien.

  1. Station: Jesus wird seiner Kleider beraubt!

Wenn diese Bilder nur schemenhaft zu erkennen sind, dann wohl auch deshalb, weil sie offen bleiben sollen und zeitlos für jeacde Situation, in der Ähnliches geschieht, auch heute. Wer seiner Kleider beraubt wird, dem versucht man die Würde zu nehmen. Doch wer anderen ihre Würde nimmt, verliert seine eigene Würde. Wie sehr dies in unserer Geschichte passiert ist, darauf weist auch das heurige Gedenkjahr 2018 hin – gerade am heutigen Tag! Wie oft wurden und werden Menschen eingeteilt in Wertvolle und Minderwertige, in Lebenswerte und Lebensunwerte. Aber da gibt es, Gott sei Dank, auch das Jahr 1948! In dem wurde die Allg. Erklärung der Menschenrechte verkündet, also vor 70 Jahren:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ (Art.1)

Daran wollen wir uns heute auch erinnern und uns anstiften lassen, für die Würde des Menschen jederzeit einzutreten.

 

Lesung: Gal 3,26-28

Ihr seid durch den Glauben Kinder Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.

 

Evangelium: Mt 5,43-48

Von der Liebe zu den Feinden

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits:

Liebe ChristInnen!

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“, dieses Zitat habe ich nicht dem derzeit laufenden Frauenvolksbegehren entnommen, sondern stammt von der Nationalratsabgeordneten Adelheid Popp aus dem Jahr 1930. Ganz ähnlich forderte es in derselben Zeit Käthe Leichter, legendäre Gewerkschafterin in Österreich, die 1925 das Frauenreferat der Wiener Arbeiterkammer übernahm und als die führende Frauenrechtlerin Österreichs damals bezeichnet wurde. 1942 wurde sie im Konzentrationslager Bernburg ermordet.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?“ Schauen wir in das Jahr 2016 müssen wir feststellen, dass diese Gleichheit von Menschen nach fast 90 Jahren noch immer nicht erreicht wurde. Laut Rechnungshof-Einkommensbericht 2016 verdienen Frauen in Österreich je nach Branche zwischen 57 % und 85 % der durchschnittlichen Männer-Einkommen.

Nur ein kleines, aber ganz aktuelles Beispiel das aufzeigt, dass auch heute viel von Menschenrechten gesprochen wird, die tatsächliche Umsetzung mitunter ganz schwierig ist.

Auch innerhalb unserer röm.-kath. Kirche schaut es da mit dieser Doppelmoral nicht besser aus: Es besteht kein Konflikt, keine Meinungsverschiedenheit zwischen der Kirche, dem Heiligen Stuhl, und den Vereinten Nationen in Sachen Menschenrechten, vor allem nicht, wenn es um den Frieden und den Wohlstand für alle Menschen geht“, sagt Silvano Maria Tomasi, katholischer Erzbischof und ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, der UNO. Allerdings hat der Vatikanstaat die Menschenrechtscharta der UNO aus dem Jahr 1948 nicht unterzeichnet. Der Heilige Stuhl ist einer der wenigen Staaten, die diese Rechtsforderungen der Vereinten Nationen nach wie vor ablehnen. Ebenso wurde die Europäische Menschenrechtskonvention aus dem Jahr 2009 bisher vom Heiligen Stuhl nicht unterzeichnet.

Auch wenn der Bischof von Rom, Papst Franziskus immer wieder die Einhaltung der Menschenrechte einmahnt, geht es uns als Kirche ganz ähnlich wie Adelheid Popp und Käthe Leichter: Umgesetzt werden die Menschenrechte in unserer Kirche nicht wirklich. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Rolle der Frau: Frauen sind in unserer Kirche nicht (!) gleich an Würde und Rechten geboren, wenn z. B. Frauen nicht Priesterinnen werden können (http://www.wir-sind-kirche.at/artikel/menschenrechte-der-kirche).

Geld, Macht und materieller Wohlstand dominieren in unserer Welt. Die Interessen von Kapital, Wirtschaft und Militär sind oft weit wichtiger als die Rechte von einzelnen Menschen: sowohl in unserem Österreich, als
global gesehen. Ich bin gefragt, mich einzubringen, damit die Menschenrechte eingehalten werden.

Das kann ich tun, wenn ich mich politisch engagiere und mich z. B. dafür einsetze, dass endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird. Das kann mein Einsatz für sozial Schwache sein in meinem Lebensumfeld. Das kann mein Engagement sein, damit jeder Mensch sein Recht auf Zugang zu sauberem Wasser wahrnehmen kann (Fußnote: 1,8 Mrd. Menschen trinken weltweit verschmutztes Wasser! https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/ article/58823.html). Das kann mein Mitarbeiten sein in einem Projekt von Amnesty International oder von der Diakonie oder bei der Selbstbesteuerungsgruppe von Bischof Kräutler (www.bischof-kraeutler.at), um Menschen, deren Rechte aktuell mit Füßen getreten werden, tatkräftig geholfen wird.

Wenn ich mich dafür einsetze, dann verwirkliche ich das, was im Vorwort zur „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ festgehalten wird: „Die Völker der Vereinten Nationen haben in der Charta ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau erneut bekräftigt und beschlossen, den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen in größerer Freiheit zu fördern.“ – heute und morgen und bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Im Zeichen des Kreuzes sind wir auf unserem Weg – hin zum Leben. Barmherziger Gott, wir bitten dich:

  1. Für alle Menschen, die in unverschuldeter Unfreiheit und in menschenunwürdigen Verhältnissen leben müssen. A: Wir bitten dich, erhöre uns …
  2. Für alle Menschen, die bloßgestellt, missbraucht und ausgebeutet werden.
  3. Für alle Menschen, die aufgrund ihrer Etnie, ihrer Weltanschauung oder ihrer Religion verfolgt und von ihrem Land vertrieben werden.
  4. Für alle, die Macht haben, etwas an den Verhältnissen zu ändern, dass sie im Sinne der Menschenrechte aktiv werden.
  5. Für die Kirche und uns alle, um Mut und Courage, uns für Menschenrechte und Menschenwürde einzuseztzen.

Wer in seiner Umgebung Gutes tut, kann viel bewirken. Dazu ermutigst du uns und bleibst mit uns auf dem Weg.     Amen

 

Meditation:

Grammatik der Würde

In unserer Grammatik
steht „Würde“ im Konjunktiv,
das ist die Möglichkeitsform.
In deiner Grammatik, Herr,
steht „Würde“ im Indikativ,
in der Wirklichkeitsform.
Von uns wird jemand erst dann gewürdigt,
wenn er etwas Besonderes geleistet hat.
Von dir, Gott, werden wir gewürdigt,
einfach weil wir sind –
bedingungslos
ohne „Wenn und Aber“
denn ein „wenn“ –
das gilt sogar in unserer Grammatik –
ein „wenn“ ist würde-los!

peter hanel