Morgengedanken März 2019 – Meine Lieblings-Bibelstellen

Morgengedanken

Meine Lieblings-Bibelstellen

Sonntag, 10.03. – Samstag, 16.03.2019

Sonntag, 10.03.2019:

Stellen aus der Heiligen Schrift, die mich tragen in meinem Leben

Haben die uralten Texte der Heiligen Schrift etwas mit meinem Leben zu tun? Können mir Bibelstellen dabei helfen, meinen Alltag besser, erfüllter zu gestalten?  Sind die Erzählungen Texte, die mir letztlich zu mehr Leben und Freude verhelfen? Ich kann all diese Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten, weil ich immer wieder in meinem Alltag erlebe, wie sehr mir die eine oder andere Stelle aus der Heiligen Schrift hilft, mein Leben zu meistern.

Daher möchte ich in dieser Woche meine Lieblings-Bibelstellen hernehmen und erzählen, welche Geschichten oder welche einzelnen Verse mich auf meinem Lebensweg besonders begleiten. Und ich möchte aufzeigen, wie aktuell und lebensnah die Bibel für mich ist. Nicht zuletzt ist es mir ganz wichtig zu betonen, dass ich von der Ansicht, im Alten Testament würde nur ein strafender und rachsüchtiger Gott dargestellt werden und im Neuen Testament nur der „liebe“ Gott, gar nichts halte – weil sie schlicht und einfach falsch ist.

Gott ist ein bedingungslos Liebender, und sein Erbarmen kennt keine Grenzen. Davon erzählt mir die ganze Heilige Schrift in ihren beiden Teilen.

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Montag, 11.03.2019:

Weish 11,15-26: Du liebst alles, was ist. Du schonst alles, Herr, du Freund des Lebens.

„Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast. Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens“, lese ich im Buch der Weisheit, im Alten (Ersten) Testament im 11. Kapitel. Überschrieben ist dieser Abschnitt mit dem Titel „Gottes Art zu strafen“. Da wird eingangs überaus bildreich und höchst dramatisch geschildert, wie Gott mit wuterfüllten und Feuer speienden Tieren die Menschen strafen könnte. Aber das tut Gott nicht, erzählt mir diese Stelle: „Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg. … Du liebst alles, was ist, und schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens.“ (Weish 11,23.24.26)

So ist Gott, kein strafender, sondern einer, dessen Grundeinstellung „Erbarmen“ ist. Wie er, soll auch ich ein Freund des Lebens sein. Das geschieht vor allem dann, lese ich im 11. Kapitel, wenn ich mich selbst so annehme, wie ich bin, wie er, Gott, mich geschaffen hat. Mich selbst annehmen, weil Gott mich liebt, daran arbeite ich Tag für Tag.

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Dienstag, 12.03.2019:

Lk 15,11-32: Der barmherzige Vater

Eines der bekanntesten Gleichnisse von Jesus finde ich im Lukasevangelium im 15. Kapitel. Das Gleichnis vom „barmherzigen Vater“, wie ich es stets nenne. Überwältigend in dieser Erzählung, weil Jesus mir zu verstehen gibt, wie Gott ist, wie er mit mir umgeht, wenn ich schuldig geworden bin:

Der Vater wartet schon auf seinen jüngeren Sohn, ja er eilt ihm sogar entgegen (das ist etwas zutiefst Frauliches im alten Orient). Dieser „mütterliche“ Vater umarmt und küsst seinen Sohn als Zeichen der Vergebung. Erst in diesem Augenblick geht dem jüngeren Sohn auf, wer sein Vater ist: Der bedingungslos Liebende und Verzeihende, der dem schuldig Gewordenen unverdientermaßen Erbarmen, seine Liebe  schenkt. Weit und breit ist kein beleidigter, zürnender Vater zu sehen, der Vorleistungen verlangt, ein Sündenbekenntnis und Sühne fordert oder gar Strafe verhängt.

Gott kommt nicht in der Pose des Mächtigen daher, der auf seine Autorität pocht; er verzichtet vielmehr auf seine Macht zugunsten seiner grenzenlosen Liebe, die unverdiente Vergebung schenkt und niemanden abschreibt. Solche Liebe verwandelt – auch mich, solche Liebe ermöglicht ganz neues Leben – auch mir.

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Mittwoch, 13.03.2019:

Ps 18,30: Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.

Eine weitere Lieblingsstelle in der Heiligen Schrift findet sich im Buch der Psalmen. Es ist der Psalm 18 und hier der kurze Vers 30: „Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ Dieser kurze Vers hat mich im vergangenen Sommer wie ein Mantra begleitet, als es mir gesundheitlich alles andere als gut gegangen ist. Eigentlich hätte ich die Vorzeichen schon viel früher erkennen müssen, weil bereits zu Weihnachten 2017 mein Magen sich zu Wort meldete und mir signalisierte: „Dietmar, du übernimmst dich!“

Aber diese ersten Signale schob ich beiseite und arbeitete mit Volldampf weiter, bis Ende Juli damit Schluss war, und mein Magen aufgrund einer stressbedingten Gastritis mir zu verstehen gab: „Jetzt machst du mal Pause!“ Damit war ich zunächst für zwei Wochen ziemlich arbeitsunfähig, und in mir tauchten so manche Sorgen, Fragen und Ängste auf. Der Vers 30 von Psalm 18 half mir dabei, diese kritische Situation durchzustehen. Immer wieder betete ich im Stillen: „Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ Mehr dazu morgen.

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Donnerstag, 14.03.2019:

Ps 18,30 und meine Existenzängste

Gestern habe ich erzählt, dass mir im vergangenen Sommer mein Magen einige Probleme verursachte, weil ich in den Monaten davor einfach zu viel gearbeitet hatte. Als ich in den ersten zwei Wochen meiner Erkrankung zu Hause gelegen bin und nichts tun konnte, tauchten so manche Angst machende Fragen in mir auf: Was ist, wenn das nicht besser wird? Was geschieht mit mir, wenn ich meine Magenprobleme nicht wieder in den Griff bekomme? In dieser Zeit kamen ziemliche Existenzängste in mir auf.

Wie aus dem Nichts, oder doch vielmehr aus meinem Innersten heraus vernahm ich plötzlich den von mir bisher oft so oberflächlich gebeteten Psalmvers: „Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ Und dieser Vers trug mich und gab mir nach und nach ungeheure Kraft. Mir wurde wieder intensiv bewusst, dass Gott es ist, dem ich vertrauen kann, der mich trägt, nicht fallen lässt, der auf mich schaut, mich nicht vergisst. Egal wie schwierig es ist in meinem Leben, ich vertraue fest darauf: „Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern“.

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Freitag, 15.03.2019:

Lk 24,13-35: Emmaus

Sehr spannend, wie viele Auferstehungserzählungen wir in den vier Evangelien finden und wie unterschiedlich sie sind. Für mich ist diese Vielfalt ganz wichtig. Die Auferstehung Jesu ist etwas, das von den einzelnen Personen auf ihre je eigene Art und Weise wahrgenommen und gedeutet wurde. Eine mir besonders nahegehende Geschichte ist jene der beiden Emmausjünger, die wir im 24. Kapitel des Lukasevangeliums finden.

Die Stimmung der beiden Jünger, die aus Jerusalem flüchteten, war alles andere als verheißungsvoll. Ihre Hoffnung war nach Jesu Kreuzigung vernichtet und zerschlagen. Alles war plötzlich zusammengebrochen, ihre Träume und Vorstellungen für die Zukunft. Der Fremde, Jesus, belehrt nicht, als er sich dazugesellt, sondern lässt die Beiden zunächst selbst zu Wort kommen, damit sie ihren Kummer und Zweifel äußern. Jesus weiß, wie wichtig es ist, alles aussprechen zu dürfen.

Genau so muss Kirche sein: Ich kann über meine Ohnmacht, über meine Lebensängste und über meine zerstörten Hoffnungen sprechen, und darf darauf vertrauen, dass Jesus mit mir geht und mir dabei hilft, meinen Lebensweg trotz mancher Krisen als Mensch voller Hoffnung zu gehen.

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Samstag, 16.03.2019:

Sir 40,17: Liebe aber wird in Ewigkeit nicht ausgetilgt, Barmherzigkeit besteht für immer.

Es war 1997 als ich in meinem Heimatort in Stegersbach meine Primiz, meine erste Eucharistie, feiern konnte. Für diesen Anlass hatte ich – wie es üblich ist – ein Primizbildchen drucken lassen, das auf der Vorderseite das Bild von Rembrandt „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ zeigt. Rembrandt versteht es meisterhaft, den Vater des verlorenen Sohnes, letztlich Gott, als fast erblindeten alten Mann darzustellen, der Gottes unermessliche Liebe, Vergebung und Zärtlichkeit zutiefst ergreifend ausstrahlt.

Die Mitte des Bildes bilden die beiden Hände des Vaters. Das ganze Licht ist auf sie gerichtet. Die linke Hand des Vaters – auf der Schulter des Sohnes – ist ganz kräftig und muskulös, ganz männlich. Die rechte ist ganz zierlich, sanft, sehr zärtlich, überaus weiblich, die Hand einer Mutter. Rembrandt erklärt mir: Gott ist Vater und Mutter.

Auf der Rückseite meines Primizbildchens steht ein Vers aus dem Buch Jesus Sirach, Kapitel 40, Vers 17: „Liebe aber wird in Ewigkeit nicht ausgetilgt, Barmherzigkeit besteht für immer“. Darum geht es in Rembrandts Bild und mir als Seelsorger: Wer liebt, wer barmherzig ist, macht Gott erfahrbar. Wer liebt, findet Gott.

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