2. Fastensonntag: Augenblick – Im Jetzt das Leben erkennen

2. Fastensonntag
Augenblick – Im Jetzt das Leben erkennen.

Schauen Sie sich kurz um im Kirchenraum! Schauen Sie auf Ihre Sitznachbarn. Nehmen Sie den Raum und die Zeit wahr, wo wir uns gerade befinden: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, wo getan wird oder auch vertan, worauf es ankommt, (wenn er kommt“ …) heißt es in einem Lied.
Das Motto auf unserem Weg durch die Fastenzeit ist: „Das Leben annehmen, so wie es ist“. Heute, am 2. Sonntag, ruft uns diese Uhr dazu auf, „Den Augenblick im JETZT als Leben zu erkennen“

Viele Weise haben festgestellt, dass wir unser Leben dann als sinnvoll erleben, wenn wir lernen, in der Gegenwart zu leben, Schritt für Schritt das zu tun, was gerade getan werden kann oder muss, was das Leben von uns fordert.

Ein persischer Dichter drückt das so aus:
Das Gestern schwand, wer kennt das Morgen?
Das Jetzt zu nützen, lasst uns sorgen! (Sadi 1210-1292).

Wie unser Glaube uns dazu helfen kann, mehr in der Gegenwart zu leben, soll diese Eucharistiefeier jetzt erlebbar machen.

Lesung: Phil 4, 4-7

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahren.“

Evangelium: Mt 6, 31-34
„Von der falschen und der rechten Sorge“

Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen:
Was werden wir essen?
Was werden wir trinken?
Womit werden wir uns kleiden?
Nach dem allen trachten die Heiden.
Denn euer himmlischer Vater weiß,
dass ihr all dessen bedürft.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes
und nach seiner Gerechtigkeit,
sow wird euch das alles zufallen.
Darum sorgt nicht für morgen,
denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Es ist genug,
dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

Predigt von Pfarrer Dietmar Stipsits
Liebe ChristInnen!

Vor Jahren kam einige Monate lang ein Mann zu mir, der über sein Leben reden wollte und über das, was er erfahren hat. Der Mann hatte als Kind ein traumatisches Erlebnis durchleiden müssen, das ihn nicht losließ. Diese überaus negative Erfahrung prägte nach wie vor sein Leben. Misslang ihm etwas in seinem Alltag, im Beruf, in der Beziehung, in der Familie, so war sofort diese damalige Traumatisierung die Ursache für sein Versagen. Dieser Mann lebte in seiner Vergangenheit, weil seine Vergangenheit das Hier und Heute bestimmte.

Um in der Gegenwart zu leben, und um die Gegenwart gut gestalten zu können, muss ich fest daran glauben, dass das Entscheidende das Hier und Jetzt ist. Ich muss aufhören, mich von dem einen oder anderen, das in meiner Vergangenheit passiert ist, ständig quälen zu lassen. Und ebenso wenig darf ich mich nicht von Ängsten und Befürchtungen vor der Zukunft bestimmen lassen. Eine derartige Haltung wird mich zerreißen, wird es mir verunmöglichen, wirklich gut zu leben und zur Ruhe zu kommen in und mit meinem Leben.

Wie gelingt es mir also, im Hier und Jetzt zu leben? Mir gelingt es dadurch, dass ich tief in meinem Innersten verspüre, dass Gott in mir lebt, ein Teil von mir ist. Und dass ich mich auf diesen Gott in meinem Herzen absolut verlassen kann. Vor allem Dinge, die mich momentan vielleicht beunruhigen oder mir Angst machen, die mich nicht einschlafen lassen, die überlasse ich dann immer ihm, Gott. Gott ist also nicht einer, den ich außerhalb meiner finde, er ist nicht oberhalb von mir, sondern für mich lebt und wirkt Gott tief in mir selbst drinnen, in meinem Innersten.

Wenn ich mich daher, ohne Wenn und Aber, dieser Tiefe in mir überlasse, dann sind das stets Momente, in denen es mir auch gut gelingt, im Hier und Jetzt zu leben. Da spüre ich mich einfach, stehe mit beiden Beinen fest am Boden, erfahre dabei ein überaus tiefes Gefühl des inneren Friedens und weiß, dass das, was ich gerade tue, das Richtige ist. Da brauch ich mich nicht zu verstellen, da geh ich mit keiner Fassade durchs Leben, setze keine Masken auf, sondern bin voll und ganz ich selbst.

Dann sind es plötzlich nicht die Probleme und Schwierigkeiten meiner Vergangenheit, die mich und mein Leben lenken und auch nicht Zukunftssorgen, sondern ich überlasse mich völlig und ohne Einschränkung Gott, der in meinem Innersten wohnt, dass er für mich da ist und für mich sorgt.

Für den Mann, von dem ich am Beginn der Predigt erzählt habe, war sein traumatisches Erlebnis die Mitte seines Lebens, um die sich herum alles drehte und auf die sich alles bezog. Ich habe versucht, diesem Mann durch viele Gespräche dorthin zu begleiten, in sein Innerstes hineinzuhören und dort wieder jene „gute Kraft“ zu entdecken, mit der er alles zu tun vermag.

Genau das ist es, was mich persönlich im Hier und Jetzt leben lässt: das Urvertrauen, dass Gott in meinem Innersten ist und in mir und durch mich Gutes, Liebe, Güte wirkt – hier und jetzt und bis in Ewigkeit.

Fürbitten:

Guter Gott, du bist Jahwe, du bist der „Ich bin da“ – jetzt. Wir bitten dich:

  • Für alle, die die Vergangenheit nicht loslässt, die Schuld auf sich geladen haben: Hilf ihnen zur Umkehr und zu einem neuen Anfang.
  • Für alle, die durchs Leben hetzen, die vordergründigen Zielen nachjagen: Hilf ihnen zur Besonnenheit und gib ihnen den Blick für das Notwendige.
  • Für alle, die von Angst und Sorge vor der Zukunft geplagt sind: Lass sie deine Nähe spüren und gib ihnen Mut für den nächsten Schritt.
  • Für alle, die keine Ruhe geben können, die nichts wirklich genießen können: Schenke ihnen Augenblicke des Glücks und der Zufriedenheit.

Du, Gott Jahwe, bist für uns da. Das soll uns genügen, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Zur Meditation:

Der Augenblick

Die Heckenrosen blühen,
wir sitzen still am Feldrand.
Mein Kopf liegt auf Deinem Schoß,
ich höre die Vögel singen, die Bienen summen,
spüre die Sonne, den leichten Wind
und Dich –
und ich will nichts wissen davon, (Pause) –
dass Heckenrosen verblühen.

(unbekannt)

Zum Nachdenken:

Den Augenblick immer als den höchsten Brennpunkt der Existenz, auf den die ganze Vergangenheit nur vorbereitete, ansehen und genießen, das würde Leben heißen! (Friedrich Hebbel 1813-1863)

Ein in Meditation erfahrener Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so gesammelt sein könne:

Dieser sagte:
Wenn ich stehe, dann stehe ich
Wenn ich gehe, dann gehe ich
Wenn ich sitze, dann sitze ich
Wenn ich esse, dann esse ich
Wenn ich spreche, dann spreche ich …
Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort:
„Aber das tun wir doch auch!“
Nein, sagte er:
Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon
Wenn ihr steht, dann lauft ihr schon
Wenn ihr läuft, dann seid ihr schon am Ziel …