Morgengedanken Aug. 2019 – Urlaubszeit ist Muße-Zeit

Morgengedanken

Urlaubszeit ist Muße-Zeit

Sonntag, 25. – Samstag, 31. Aug. 2019

Sonntag, 25. Aug. 2019:

„Keine Zeit, keine Zeit!“

Ich habe den Eindruck, dass heutzutage einer der meistverwendeten Sätze lautet: „Tut mir leid, ich hab jetzt keine Zeit!“ Die Menschen kommen oft aus dem Arbeitsstress, aus der Rastlosigkeit, aus dem hohen Tempo nicht mehr heraus, selbst im Urlaub nicht. Ja, auch aus dem Urlaub wurde eine Art „Industrie“ gemacht, wo Reisebüros und Onlineplattformen die Urlaubssuchenden wie Schafe in die bekannten Ferienparadiese treiben.

Aus diesem Grund dachte ich mir: Mit meinen Morgengedanken will ich in dieser Woche einladen, einmal nichts zu tun, oder mal was zu tun, was ich nicht tun muss, sondern worauf ich Lust habe. Das Leben und noch mehr der Urlaub ist doch kein Fließband, auf dem mir vorgegeben wird, was ich zu tun habe.

 Ich möchte in dieser Woche einladen, nachzuspüren und sich zu fragen: Wofür möchte ich mir ganz bewusst Zeit nehmen? Was schenkt mir wirklich Freude und Lebenslust? Urlaub bedeutet für mich, Zeit zu haben, sie mir bewusst zu nehmen und zur Ruhe kommen, um in dieser Ruhe die wunderbaren Freuden des Lebens zu entdecken: Weg vom Urlaubsstress, hin zur Muße.

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Montag, 26. Aug. 2019:

Muße schenkt Freiheit

„Die Muße ist die Schwester der Freiheit“, sagt Sokrates im 5. Jh. v. Chr. In der griechischen Polis meint Muße eine von Arbeit und Sorgen freie Lebenssituation. Für Aristoteles schafft Muße die Bedingung, das letzte Glück zu erreichen. Ich übersetze für mich Muße nicht mit „nichts arbeiten“, auch nicht mit „Freizeit“ oder „Urlaub“ im Sinne von „sich erholen“. Für mich beschreibt Goethe sehr gut, was Muße bedeutet: Ich beobachte mit intensivem Anteil; was ich erfahre, was mir entgegen kommt, das fasse ich auf, erfreue mich daran und werde davon produktiv angeregt“.

Muße heißt für mich: meinen eigenen Interessen, Sehnsüchten und Begabungen nachspüren und ihnen Raum geben und mich von ihnen schöpferisch motivieren und bereichern lassen. Mein Leben wird plötzlich geschmackvoll und interessant, ja sinnerfüllt.

Wo ist es in meinem Alltag notwendig, dass ich mit ganz wachen Sinnen hinschaue, hinhöre, beobachte? Was bereitet mir Freude? Welche sind die Quellen in meinem Leben, die mich produktiv anregen? Heute horche ich mal ganz bewusst in mein Innerstes hinein und schenke meinen Sehnsüchten weiten Raum! So erfahre ich, dass Muße mich zur Freiheit führt.

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Dienstag, 27. Aug. 2019:

Oasen der Muße schaffen

Zeit für Muße zu finden, ist heute wohl überaus schwierig geworden. Unsere Arbeitswelt mit ihrem scheinbar grenzenlosen  Leistungsdruck fordert uns heraus. Kommt man nach Hause, soll zumindest etwas Zeit für die Kinder vorhanden sein und natürlich auch für die Partnerin/für den Partner. Und dann noch Freiräume für Muße haben?

Gerade deshalb ermuntere und ermutige ich Menschen, sich regelmäßig kleine Oasen der Muße zu schaffen, um dem Druck unserer heutigen Leistungsgesellschaft ganz bewusst zu widerstehen und die eigenen Fähigkeiten und Wünsche nicht zu vergraben, sondern sie zu entdecken und sie zu fördern. Jede und jeder von uns hat doch in seinem Innersten seine Träume, die es gilt, mehr und mehr Wirklichkeit werden zu lassen. Es widerspricht meiner Sicht des von Gott geschaffenen Menschen, dass wir alles für unsere Arbeits-, Leistungs- und Konsumgesellschaft opfern. Wenn ich keine Zeit zur Muße habe, habe ich letztlich auch keine Zeit für mich selber. Und damit werde ich auch keine Zeit mehr für die wunderbaren Freuden in meinem persönlichen Leben haben. Ich schaffe mir ganz bewusst regelmäßig kleine Oasen der Muße.

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Mittwoch, 28. Aug. 2019:

Zur Ruhe kommen

„Muße“ ist manchen nicht mehr geläufig. Für mich hat Muße viel mit „zur Stille kommen“ zu tun. Da ist der Urlaub eine ausgezeichnete Chance, Muße zu pflegen, zur Stille zu kommen.

Ich merke selber in meinem Leben, dass es gar nicht so leicht ist, diese Stille zu finden. Anfangs kann sich da viel Unruhe auftun  oder so mancher Gedanke an Flucht, weil alles andere plötzlich wichtiger wird, als mir Zeit der Stille zu gönnen. Thomas Merton, der bekannte Dichtermönch, gibt mir eine gute Anleitung dazu. Er rät mir, Gottes Schöpfung ganz intensiv zu genießen: einen Berg mit seinem wunderbaren Ausblick, das Meer mit seinem beruhigenden Rauschen der Wellen, einen alten  Eichenbaum mit seinen mächtigen Ästen, eine Rose in ihrer vollen Blütenpracht, ein Schmetterling in seiner Zartheit des Seins.

Muße erfahre ich, wenn ich – auch im Urlaub – die Stille aufsuche. Wenn ich zur Ruhe komme, kann ich jene tiefe Geborgenheit in mir entdecken, die meinem Leben Sinn schenkt. In der Stille auf meine innere Stimme hören, die Gottes Lebensmelodie in mir tagtäglich erklingen lässt.

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Donnerstag, 29. Aug. 2019:

Gottes ewiges „Ja“

In der Schöpfung das erkennen, was für mein Leben wesentlich ist, eine uralte Lebensweisheit. Auch Angelus Silesius hat dies im 17. Jahrhundert in seinem sehr bekannten Zweizeiler festgehalten: „Die Ros ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet. Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“

Wenn ich mir im Urlaub also z. B. eine Rose anschaue und ihre Schönheit genieße, dann zeigt mir diese Rose, dass sie ohne Zweck ist, nicht für etwas anderes da, sondern in sich selbst sinnvoll. Wie oft höre ich von Menschen, wie wichtig ihnen die Anerkennung von außen ist. Die Rose sagt mir: Das, was für dich wirklich wichtig und wesentlich ist, findest du nicht durch die Anerkennung durch die anderen. Mach es wie die Rose, sie „blühet, weil sie blühet“.

Urlaub als Zeit der Muße, um so zu erkennen, dass es im Leben weniger auf die Anerkennung durch andere ankommt. Als Christ glaube ich vielmehr, dass ich von Gott vom ersten Moment meines Lebens an zutiefst angenommen und bejaht bin. Das gibt meinem Leben Sinn.

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Freitag, 30. Aug. 2019:

Regeln zur Lebensfreude

Muße ist ein wichtiger Teil meiner Lebenshaltung. Im Urlaub achte ich besonders drauf. Inspirierend für mich sind u. a. die „Zehn Anregungen“ im Buch „Salutogenese“ von Dr. Christoph Jacobs, Professor für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Theologischen Fakultät Paderborn. Anlehnend daran hab ich mich gefragt, wie ich alltäglich Lebensfreude finden kann. Heute meine ersten fünf von insgesamt zehn Regeln:

1. Ich vertraue darauf, dass Gott mich zu einem Leben in Fülle berufen hat. Jeden Morgen ruf ich mir das neu in Erinnerung. 2. Gott schenkt mir unzählige Möglichkeiten, mein Leben zu meistern. Und er gibt mir die Kraft dazu. 3. Ich konzentriere mich nicht länger auf meine Defizite, sondern schaue auf das, was ich gut kann, was mir liegt, was ich gerne mache. 4. Ich achte auf meine Gesundheit, dazu gehören für mich seelische, körperliche, soziale und spirituelle Aspekte. Regelmäßig nehme ich mir bewusst Zeit dafür. Und 5. Manchen Belastungen werde ich nicht aus dem Weg gehen können. Es hilft mir, diese nicht als Stress, sondern als Herausforderung, als Möglichkeit zur Reifung anzusehen.

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Samstag, 31. Aug. 2019:

Muße schafft Ausgeglichenheit

Mein Leben ist kein Fließband, das mir vorgibt, was ich zu tun habe. Regelmäßige Zeiten der Muße helfen mir dabei, dass mein Leben eines ist, das täglich aufs Neue von Lebensfreude geprägt ist. Dazu jetzt die Fortsetzung von gestern, meine persönlichen Lebensregeln Nummer 6 – 10:

6. Freundschaften sind sehr wichtig und wertvoll. Ich nehme mir regelmäßig ausreichend Zeit, diese zu pflegen. 7. Ich achte darauf, dass ich mir stets Auszeiten gönne, wenn ich mich zu sehr verausgabt habe. 8. Ich achte auf mich selbst. Welche Ziele sind mir derzeit wichtig? Wie kann ich diese Ziele und Sehnsüchte konkret umsetzen? 9. Wie sind die Lebensbedingungen an meinem Arbeitsplatz und in meinem Freundeskreis? Was kann ich hier tun, damit es mir wirklich gut geht dabei? 10. Ich lass mir niemals die Freude an der Hingabe nehmen, so wie Jesus stets für andere da war.

In diesen Tagen endet die Urlaubszeit. Muße hat bei mir auch außerhalb des Urlaubs ihren fixen Platz. Muße hilft mir, zu einer gesunden Ausgeglichenheit zu finden und meine Lebenslust nicht zu verlieren.

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