Morgengedanken – „Jesus bleibet meine Freude“

Sonntag, 26. Juli 2020:

Wozu mich Johann Sebastian Bach einladet…

Urlaub im Jahr 2020 schaut wohl für viele Menschen  ganz anders aus, als sie es bisher gewohnt waren, aufgrund des Corona-Virus. So ganz anders als sonst erging es auch mir heuer in den Kar- und Ostertagen. Es war für mich – ich hoffe es zumindest – ein einmaliges Erlebnis in meinem Leben, dass ich als Pfarrer nicht gemeinsam mit meinen Pfarrgemeinden die Gottesdienste an den Kar- und Ostertagen feiern konnte.

Aufgrund dieser außergewöhnlichen Erfahrung möchte ich in den Morgengedanken dieser Woche ausführen, wer dieser Jesus für mich persönlich ist. Als roter Faden auf diesem Weg wird mich das Motto „Jesus bleibet meine Freude“ begleiten, ein Choral, den Johann Sebastian Bach auf unnachahmliche Weise vertont hat.

Welches Bild habe ich von Jesus? Wer ist er für mich? Hilft mir dieser Jesus dabei, mit dem persönlichen Leid, mit dem ich immer wieder in meinem Leben konfrontiert werde, anders umzugehen? Und vor allem die Frage: Ist dieser Jesus wirklich „meines Lebens Kraft“, wie es Johann Sebastian Bach vertont hat? „Jesus bleibet meine Freude“ – gilt das auch für mich?

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Montag, 27. Juli 2020:

Bleibt Jesus auch im Leid meine Freude?

„Jesus bleibet meine Freude, meines Herzens Trost und Saft, Jesus wehret allem Leide…“. Klingt schon ziemlich „fromm“, was der Chor da in Johann Sebastian Bachs Choral singt. Muss ich nur intensiv genug an Gott glauben, um alle Probleme und Krankheiten vermeiden zu können? Auch wenn das manche Menschen in unserer Kirche so behaupten, die Botschaft Jesu ist das nicht. ChristInnen leben nicht automatisch in einer heilen und leid-freien Welt.

Wie Jesus muss auch ich damit rechnen, dass Leid und Not, dass Krankheit und Krisen meine Lebensplanung immer wieder durchkreuzen. Zwar ist mir der Glaube an Gott eine Hilfe und eine Ermutigung, aber dieser Glaube an Gottes helfende Nähe wird mir nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.

So frömmelnd das jetzt klingt, aber ich vertraue wirklich auf das, was Bach in seiner Kantate „Jesus bleibet meine Freude“ vertont hat: „Jesus wehret allem Leide, er ist meines Lebens Kraft“. Mit ihm gemeinsam hab ich viele Schwierigkeiten meistern und lösen können, bin dadurch gestärkt worden in meinem Leben und habe wieder neu zur Freude gefunden.

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Dienstag, 28. Juli 2020:

Jesus – ein Hoffnungsbringer?

„Was wäre das Leben ohne Hoffnung“ fragt schon Friedrich Hölderlin in seinem Roman „Hyperion“. So wie der Fisch das Wasser, ein Vogel seine Flügel, meine Lunge die Luft braucht, so braucht ein jeder Mensch die Hoffnung, behaupte ich. Wer nichts mehr hofft, der gibt sich auf. Wer keine Hoffnung mehr hat, der lässt sich gehen, lässt alles einfach laufen, lässt seine Flügel hängen, wagt nichts mehr. Der Hoffnungslose existiert zwar noch, aber er lebt nicht mehr.

Für mich ist die ganze Bibel voll mit Erzählungen, in denen Gott dargestellt wird als einer, der den Menschen Hoffnung schenkt. Ganz besonders entdecke ich diese Grundbotschaft christlichen Glaubens in der Person von Jesus: Als ChristIn muss ich vor allem und zunächst ein Mensch mit Hoffnung sein. Jesus schenkt den Menschen, denen er begegnet, immer wieder Hoffnung in deren Leben.

In Johann Sebastian Bachs Choral „Jesus bleibet meine Freude“ wird Jesus besungen, als „meines Lebens Kraft“. Das heißt für mich: Egal wie aussichtslos momentan mein Leben ist, die Hoffnung gebe ich nicht auf. Jesus schenkt auch mir eine Zukunft und eine Hoffnung.

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Mittwoch, 29. Juli 2020:

Schenkt mir Jesus Freude?

Für mich hat Glaube vor allem zwei Dimensionen. Einerseits glaube ich an etwas: Ich glaube an Gott. Ich glaube an einen Gott, der mich kennt und begleitet. Ich glaube an einen Gott, der vor allem und in erster Linie barmherzig ist und gütig. Ich glaube an einen Gott, der mich an ein Ziel führen möchte, zur ewigen Geborgenheit bei ihm.

Und die zweite Dimension des Glaubens umfasst für mich ein Lebensgefühl, eine Lebenseinstellung: Ich vertraue darauf, ich glaube, dass ich von Gott geliebt bin, dass ich gut bin, so wie Gott mich geschaffen hat, (vgl. Gen 1,31) und dass dieser Gott mich nie fallen lässt, auch dann nicht, wenn ich etwas falsch gemacht habe.

Glaube bedeutet für mich: Ich glaube an Jesus, der gütig ist und mich persönlich kennt. Ich glaube an Jesus, der meinem Leben Sinn und Richtung gibt. Ich glaube an Jesus, der am Ende meines Lebens auf mich wartet mit offenen Händen. Deshalb kann ich mit Johann Sebastian Bach singen: „Jesus bleibet meine Freude“. Mein Glaube an Jesus schenkt mir tatsächlich Freude.

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Donnerstag, 30. Juli 2020:

Und wenn ich Angst habe?

Johann Sebastian Bach kennt in seinem Choral „Jesus bleibet meine Freude“ keine Angst. In meinem Leben jedoch gibt es so oft Erfahrungen, die vollgestopft sind mit Angst. Da lass ich mich blockieren von anderen, von Aussagen, die andere machen, und von gutgemeinten, aber manchmal nicht hilfreichen Rat-Schlägen, die mir einfach nur Angst machen.

Oder ich bremse mich selber aus, weil ich voll Angst bin, weil ich die Ansicht vertrete, lieber auf Nummer sicher gehen zu wollen, lieber Altbewährtes zu wählen, lieber beim Alten zu bleiben, weil neue Wege ziemlich viel Mut benötigen und mir zunächst überhaupt keine Sicherheit vermitteln. Da ist oft die Angst in mir, ich könnte mir weh tun, es könnte schief gehen, ich könnte mich blamieren, es könnte eine falsche Entscheidung sein, ich könnte scheitern. Diese Angst lähmt mich und mein Leben, lässt mich nicht voranschreiten, blockiert mich und meinen Lebensweg.

Wenn ich in solchen angstmachenden Situationen Bachs Choral höre, dann schenkt mir diese Musik ganz viel Mut, muss ich gestehen: Jesus bleibet „meines Herzens Trost und Saft“. Das heißt für mich: „Hab keine Angst auf deinem Lebensweg! Sei voll des Mutes!“

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Freitag, 31. Juli 2020:

Mein Leben hat ein Ziel

„Jesus bleibet meine Freude“ – auch über den Tod hinaus?, lässt mich Bachs Choral fragen. Der Glaube an die Auferstehung ist und bleibt für mich der Knackpunkt des christlichen Lebens.

Jesus nimmt den Tod sehr ernst. Tod ist das absolute Ende. Tod bedeutet: ohne Zukunft, ohne Hoffnung, ohne Gott. „Diesen Tod, diese Hoffnungslosigkeit, diese Zukunftslosigkeit, diese Gott-Losigkeit dürft ihr nie und nimmer akzeptieren. Protestiert für das Leben! Ihr habt dabei Gott stets an eurer Seite!“, will mir Jesus sagen.

Und dieses Ziel heißt für mich: Nie endende Zärtlichkeit, Geborgenheit, Gemeinschaft in Gott mit all den Menschen, die mir im Leben wichtig waren, mit all den Dingen, Erfahrungen und Gefühlen, die mich und mein Leben bereichert haben, mit all dem, was ich geliebt habe.

Daran glaube ich. Und dieser Glaube hilft mir dabei, mein Leben hier und heute gelassener, erfüllter, bewusster, ja, auch glücklicher zu gestalten. „Ja, Jesus, ich glaube, dass du das Leben bist. Ich glaube an dich. Ich glaube, dass ich – zusammen mit dir – auf ewig nicht sterben werde (vgl. Joh 11,25f.).“ – Ich glaube daran: Jesus bleibet meine Freude – auch über den Tod hinaus.

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Samstag, 01. Aug. 2020:

Jesus, meine Freude

„Jesus bleibet meine Freude, meines Herzens Trost und Saft, Jesus wehret allem Leide, er ist meines Lebens Kraft, meiner Augen Lust und Sonne, meiner Seele Schatz und Wonne; darum lass ich Jesum nicht aus dem Herzen und Gesicht“. Der rote Faden meiner Morgengedanken.

Mit diesem wunderbaren Bach-Choral habe ich verraten, dass ich klassische Musik über alles liebe, im Besonderen Johann Sebastian Bach. Ich hab versucht zu erzählen, was dieser Text für mich persönlich bedeutet, wie ich ihn für mich und für mein Leben, auch für mein Glaubens-Leben übersetze und deute. Und ich habe verraten, wie sehr mir klassische Musik dabei hilft, dem Geheimnis „Gott“ näherzukommen.

Für mich ist es immer wieder ein Wunder, wie jahrhundertealte Musik mir auch heute noch dabei helfen kann, meinen Glauben zu leben. Bach hilft mir hier und heute dabei, in diesem Jesus einen „Freund des Lebens“ (vgl. Weish 11,26) zu sehen, einen, der mich vor allem zur Freude hinführen möchte. Jesus ist für mich einer, der mir Kraft schenkt zur Lebens-Freude. Bach versteht es beispiellos mir genau das mit seinem Choral zu vermitteln.

Hier zum Nachhören auf religion.orf.at.