2. Fastensonntag: Achtsamkeit beim Hören

Fastenzeit 2012: Fasten mit allen Sinnen – unsere Sinne schärfen
Für eine neue Achtsamkeit

2. Fastensonntag: Hören – ganz Ohr sein

„Fasten mit alle Sinnen“ – das ist das Motto, zu dem sich der Liturgiekreis unserer Pfarrgemeinde für die heurige Fastenzeit Gedanken gemacht hat. Mit unseren Sinnen können wir die Welt um uns wahrnehmen und mit ihr in Beziehung treten. Wir möchten Sie einladen, mit uns an jedem Sonntag eines unserer Sinnesorgane in den Blick zu nehmen und der Frage nachzugehen, was Fasten mit dem jeweiligen Sinn bedeuten kann.

Im Blickpunkt steht heute am 2. Fastensonntag: Das Hören – das Ohr

Das Ohr ist der bildhafte Ausdruck für das Hören.
Die Welt ist voller Geräusche, die wir über unser Gehör – unsere Ohren – wahrnehmen. Geräusche, die auf uns einwirken, bewusst und unbewusst Wir leben in ständiger Berieselung. Verkehrslärm, Radio, Fernsehen, Internet und Handy-Klingeltöne prasseln auf uns ein. Diese ständige Reizüberflutung führt dazu, dass betroffene Personen gereizt und aggressiv reagieren.
Wir sind umgeben von einer Unmenge von Stimmen und Worten, die sich bei uns Gehör verschaffen wollen. Aber manchmal haben wir das Gefühl, dass unser Reden und Schreien niemanden erreicht. Die anderen kommen uns wie taub vor für unsere Worte, oder sie verschließen ihre Ohren. Wir bleiben ungehört. Umgekehrt gehen auch ihre Reden an uns vorbei: Wir können sie nicht verstehen.
Zum Hören gehört auch immer das Stillwerden. In ganz besonderer Weise trifft das wohl zu, wenn ich in mich hineinhören und auf Gott hören will. In Worten der Bibel können wir entdecken, dass wir mit diesen Erfahrung nicht allein sind, sondern sie begegnen uns vielfach in den Psalmen. Jedoch stehen daneben die Zeugnisse, dass Gott uns seine Ohren zuneigt.

 

1. Lesung aus dem Buch der Psalmen: (Ps 17, 1-6):

1 Höre, Herr, die gerechte Sache, /
achte auf mein Flehen, /
vernimm mein Gebet von Lippen ohne Falsch!
2 Von deinem Angesicht ergehe mein Urteil; /
denn deine Augen sehen, was recht ist.
3 Prüfst du mein Herz, /
suchst du mich heim in der Nacht und erprobst mich, /
dann findest du an mir kein Unrecht. Mein Mund verging sich nicht, /
4 trotz allem, was die Menschen auch treiben; /
ich halte mich an das Wort deiner Lippen.
5 Auf dem Weg deiner Gebote gehn meine Schritte, /
meine Füße wanken nicht auf deinen Pfaden.
6 Ich rufe dich an, denn du, Gott, erhörst mich. /

 

2. Lesung aus dem Jakobusbrief: (Jak 1,19-25)

19 Denkt daran, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch soll schnell bereit sein zu hören, aber zurückhaltend im Reden und nicht schnell zum Zorn bereit; 20 denn im Zorn tut der Mensch nicht das, was vor Gott recht ist. 21 Darum legt alles Schmutzige und Böse ab, seid sanftmütig und nehmt euch das Wort zu Herzen, das in euch eingepflanzt worden ist und das die Macht hat, euch zu retten. 22 Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst. 23 Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: 24 Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah. 25 Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern danach handelt, der wird durch sein Tun selig sein.

 

Evangelium
Vom 2. Fastensonntag, Lesejahr B (Mk 9, 2-10)

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits:

Liebe ChristInnen!

Gott spricht zu uns Menschen, das ist die Grundbotschaft der Hl. Schrift. Bereits im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis, können wir hören: „Gott sprach: Es werde Licht“. Noch achtmal folgt danach die Redewendung: „Dann sprach Gott.“ Und im Johannesevangelium wird an diese ersten Worte der Hl. Schrift angeknüpft. Dort können wir lesen: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“

Vom ersten Tag der Schöpfung – so will uns die Bibel vermitteln – spricht Gott zu uns Menschen. Und wir Menschen sollen lernen, auf dieses Wort, auf diesen Gott zu hören. Wenn wir genauer hinschauen, entdecken wir, dass das Volk Israel aus dieser Gewissheit lebt, ja es entsteht überhaupt erst als Volk durch die Tatsache, dass Gott zu ihm spricht, und das Volk Gottes Stimme hört: Abraham hört die Stimme Gottes und macht sich auf den Weg (Gen 12,1-9); Mose hört Gott im Dornbusch reden und bekommt den Auftrag, das Volk aus Ägypten ins Gelobte Land zu führen (Ex 3,1-4,17), und Jesaja z. B. hört Gottes Anruf im Tempel und lässt sich von ihm in Dienst nehmen (Jes 6).

Die jahrhundertelange Geschichte des Volkes Israel ist eine Geschichte des Sprechens Gottes und des Hörens des Volkes Israel, ist also die Geschichte der dialogischen Kommunikation zwischen Gott und seinem Volk, bis hin zu Jesus. Gotteserfahrung in der Hl. Schrift wird m. E. immer dialogisch dargestellt: Gott, der in Beziehung steht zum Menschen: Gott, der spricht, ruft, wirbt. Und die Menschen, die Gottes Stimme hören.

Die Grundfrage, die sich für mich stellt, ist: Wie kann ich das „Wort“ vernehmen, das an mich ergeht und das nach meiner Antwort ruft? Wie kann ich die Stimme Gottes hören, der mich persönlich anspricht? Oder pointierter formuliert: Wie kann ich überhaupt Gott erfahren? Dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen:

Der kleine Nachtwächter eines unbedeutenden Dorfes findet im Mondschein ein vierblättriges Kleeblatt. Er weiß, dass dies Glück bedeutet. Aus Freude darüber bläst er in sein Horn, ruft die Dorfbewohner zusammen. Und der Poet, die Marktfrau, der Schmied, das Blumenmädchen und der Lausejunge kommen herbeigeeilt. „Das Glück besucht mich heute Nacht“, verkündet der kleine Nachtwächter freudestrahlend. Und alles setzt sich nieder und wartet auf das Glück, das sich im Kleeblatt angekündigt hatte. Es wird ganz ruhig, alle lauschen in die Nacht hinein. Der Wind raschelt leise in den Blättern, die Eule ruft im nahen Wald, ab und zu schwirrt ganz leise eine Fledermaus vorbei – sonst aber ist nichts zu vernehmen, die Nacht hat sich ausgebreitet mit ihrer tiefen Ruhe. „Wann kommt endlich das Glück?“, fragt der Lausejunge. Der Poet aber, die Marktfrau, der Schmied und das Blumenmädchen – sie alle verstehen, dass das Glück bereits eingezogen ist. Sie sitzen da und hören und lauschen bis zur Morgendämmerung.“

Vom Glück handelt die Geschichte – und vom richtigen Hören. Mir sagt diese Geschichte: Wenn du Gott begegnen möchtest, dann lerne zu hören. Setz dich der Stille aus. Versuche hinter den lauten Geräuschen des Alltags die leise Stimme Gottes zu hören. Versuche, dich der Stille zu stellen, dann wirst du Gott in dieser Stille hören, heute und jeden Tag aufs Neue bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Lasst uns zu Gott, unserem Vater, der uns Sein Wort geschenkt hat beten:

Für alle Menschen, die sich in dieser Fastenzeit neu besinnen wollen, auf Dein Wort zu hören. Du Wort des Glaubens. Wir bitten dich erhöre uns.

Für die christlichen Kirchen: um ständige Erneuerung aus dem Geist des Evangeliums und um ein entschiedenes, mutiges und überzeugendes Eintreten für die Botschaft Gottes in der Welt. Du Wort der Hoffnung. Wir bitten dich erhöre uns.

Für die Menschen, die im beruflichen oder privaten Bereich eine schwierige Entscheidung treffen müssen. Du Wort der Wahrheit. Wir bitten dich erhöre uns.

Für uns selbst, dass wir für unsere Mitmenschen, Familie und Freunde ein hörendes Herz haben und ihnen Zeit schenken können. Du Wort der Liebe. Wir bitten dich erhöre uns.

Für alle, die auf Dauer eine schwere persönliche Belastung tragen und damit fertig werden müssen. Du Wort der Nähe. Wir bitten dich erhöre uns.

Gott, du schenkst uns durch dein Wort, alles was wir brauchen. Begleite uns auf unserem Lebensweg, und bleibe bei uns mit deinem Segen, jetzt und alle Tage unseres Lebens. Amen

 

Fasten – neue Achtsamkeit beim Hören:

nicht alles hören, nicht ständige Berieselung, keinen ohrenbetäubender Lärm erzeugen, Lärm vermeiden, nicht nur hören, was mir paßt, unseren Ohren eine Erholung gönnen;
Wichtiges nicht überhören, sondern heraushören, aber nicht abhören oder belauschen;
unvoreingenommen und ohne Mißtrauen zuhören, die Ohren nicht verschließen, Geduld beim Zuhören üben, ganz Ohr sein, ein offenens Ohr für jemanden haben;
auf die Töne und Klänge in der Natur horchen, Vogelstimmen wahrnehmen …

 

für die kommende Woche:

  • Bewusst auswählen, was ich hören will, gute Musik, Nachrichten …
  • Jeden Tag für eine bestimmte Zeit einmal nichts hören, Handy abschalten,  Momente des Schweigens einlegen.
  • Geduld beim Zuhören üben, aber auch lernen sich Gehör zu verschaffen.
  • Hellhörig sein für die Nuancen und Schwingungen, die auf dich einwirken.
  • Menschen, denen ich begegne, unvoreingenommen und ohne Mißtrauen zuhören.
  • Stillwerden, zu sich selber kommen und in der Stille einen neuen Zugang zu den Dingen, zur Natur, zu den Menschen und zu Gott finden.

 

Worauf ich höre

worte und töne
um mich überall
sie strömen auf mich ein
überfallen mich
auf schritt und tritt
ich kann nicht entfliehen

worte und töne
ich höre sie alle
welche nehme ich auf
bewusst – ohne mein wollen
welche dringen ein
auf welche höre ich

worte und töne
ich höre
was man sagt
überall sagt
oft ohne zu prüfen
ohne zu denken
nehm ich an was ich hör

worte und töne
wie wähle ich aus
was lass ich heran
was überhör ich gern
blende ich aus
forme ich um

worauf höre ich