3. Fastensonntag: Achtsamkeit beim Schmecken

Fastenzeit 2012: Fasten mit allen Sinnen – unsere Sinne schärfen
Für eine neue Achtsamkeit

3. Fastensonntag: Schmecken – der Mund
Fasten – neue Achtsamkeit beim Schmecken

Für die heurige Fastenzeit hat der Liturgiekreis das Thema „Fasten mit allen Sinnen“ gewählt. Wir möchten daher an jedem Sonntag einen bestimmten Sinn in den Mittelpunkt rücken und die Frage stellen, was Fasten mit diesem Sinn bedeuten kann.

Heute wollen wir uns mit dem Geschmackssinn beschäftigen,  für den wir – wie Sie auf dem Plakat hinter mir sehen können – den Mund als Symbol gewählt haben.

Süß, sauer, salzig, bitter – jeder kennt diese Geschmacksrichtungen. Aber nehmen wir sie im Alltag noch bewusst wahr? Viele Menschen finden heutzutage nicht mehr Zeit und Muße für richtiges Kochen und Essen, die Nahrungsaufnahme erfolgt oft nebenbei, unbewusst und viel zu schnell.

An Fast Food und künstliche Aroma-Zusätze gewöhnte Kinder können immer weniger Geschmacksnuancen unterscheiden – dafür legen sie durchschnittlich immer mehr an Gewicht zu.

Um diesen negativen Tendenzen entgegenzuwirken,  wird in verschiedenen Vereinen und Bewegungen, wie z.B. Slow Food, auf die Bedeutung des Genusses und des richtigen Schmeckens beim Essen gesunder Nahrungsmittel hingewiesen. Kinder können in eigenen Unterrichtseinheiten ihren Geschmackssinn schulen.

Was kann Fasten in Bezug auf unseren Geschmackssinn bedeuten? Dieser Frage wollen wir in der heutigen Eucharistiefeier nachgehen.

1. Lesung (Weish 16,20-21a)
Dein Volk dagegen nährtest du mit der Speise der Engel, und unermüdlich gabst du ihm fertiges Brot vom Himmel. Deine Gabe gewährte jeden Genuss und entsprach jedem Geschmack; sie offenbarte deine zarte Liebe zu deinen Kindern.

2. Lesung (Apg 10,37-41)
Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet. Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkündigen und zu bezeugen: Das ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten. Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt.

Evangelium (Mk 8,1-9)
In jenen Tagen waren wieder einmal viele Menschen um Jesus versammelt. Da sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger zu sich und sagte: Ich habe Erbarmen mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weither gekommen. Seine Jünger antworteten ihm: Woher soll man in dieser unbewohnten Gegend Brot bekommen, um sie alle satt zu machen. Er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie antworteten: Sieben. Da forderte er die Leute auf, sich auf den Boden zu setzen. Dann nahm er die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach die Brote und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen; und die Jünger teilten sie an die Leute aus. Sie hatten auch noch ein paar Fische bei sich. Jesus segnete sie und ließ auch sie austeilen. Die Leute aßen und wurden satt. Dann sammelte man die übrig gebliebenen Brotstücke ein, sieben Körbe voll. Es waren etwa viertausend Menschen beisammen. Danach schickte er sie nach Hause.

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

„Die zarteste Versuchung…“ – wenn ich diesen Satz höre, habe ich sofort eine bestimmte Vorstellung vor meinen Augen – besser gesagt auf meiner Zunge. Seit Jahren will uns mit diesem Werbespruch ein Schokolade-Anbieter von seinem Produkt überzeugen. Und die Werbung lädt uns ein zu dem, was der irische Dichter Oscar Wilde meint: „Versuchungen sollte man nachgeben, – man weiß nicht, ob sie wieder kommen“.

Dass das Spiel mit dem Genuss seine Reize hat, wird niemand abstreiten können – ganz gleich wie diese geartet sind. Aber jetzt in der Fastenzeit ist damit Schluss. Da ist jetzt Einschränkung angesagt, vor allem beim Essen und beim Trinken: Manche versagen sich bestimmter Speisen, z. B. ebendieser „zarten Versuchung“, die ich eingangs zitiert habe, andere verzichten auf Alkohol. Jetzt heißt es, vierzig Tag die Luft anhalten – danach kann dann wieder losgelegt werden mit den Versuchungen. Oder nicht?

Wenn wir uns heute am 3. Fastensonntag darum bemühen wollen, unseren Geschmackssinn zu schärfen, wenn wir achtsam werden wollen, um neu „auf den Geschmack zu kommen“, dann kann die 3. Fastenwoche mir dabei behilflich sein, wieder genießen zu lernen. Der  Verzicht hat an sich keinen Wert, sondern braucht ein Ziel. Es wäre sinn- und ziellos, wenn ich jetzt in der Fastenzeit nur um des Verzichts willen verzichten würde.

Nein, die Fastenzeit lädt uns ein, den Weg des Genießen-Könnens wieder zu beschreiten. Und dazu können uns folgende Fragen behilflich sein:

Welche Kultur des Essens pflege ich? Ist Essen für mich bloß ein Verschlingen von irgendwelchen Nahrungsmitteln, um möglichst rasch satt zu werden? Welche Lebensmittel stehen auf meinem Speiseplan? Esse ich ausgewogen und abwechslungsreich? Nehme ich mir wirklich Zeit zum Essen? Achte ich darauf, dass ich immer wieder auch ein wirklich köstliches Essen zu mir nehme? Kann ich ein derartiges Festmahl auch genießen? Gibt es Tage, wo wir als Familie ganz bewusst gemeinsam das Mittag- oder Abendessen einnehmen?

Für Jesus war das gemeinsame Essen allem Anschein nach etwas ganz Wichtiges. Gerade auch die Erzählungen über den Auferstandenen sind sehr oft mit gemeinsamen Essen verbunden, bei denen die Jünger dann Jesus erkannten. Die Lesung aus der Apg (10,37-43) hat uns dies zusammenfassend in Erinnerung gerufen: „Gott aber hat Jesus am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, … uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben.“ Nicht umsonst war Jesus als „Fresser und Weinsäufer“ (Lk 7,34) verschrien.

Ich behaupte: Die zarteste Versuchung für Jesus war es, gemeinsam zu essen und zu trinken. Für ihn kam dadurch Gottes Nähe und Zuwendung zu den Menschen zum Ausdruck. Vielleicht möchte Jesus uns wieder Mut machen, wirklich genießen zu können. Dieser Versuchung sollten wir nachgeben, heute und jeden Tag aufs Neue bis in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Gütiger Gott, du gibst uns unser tägliches Brot und schenkst uns den Becher randvoll. Deshalb bitten wir dich:

• Für alle Menschen, die verlernt haben, deine Gaben zu genießen: Lass sie dankbar erkennen, dass der Überfluss und die gesunde Vielfalt unserer Nahrungsmittel keine Selbstverständlichkeiten sind. Wir bitten dich, erhöre uns.

• Für unsere Kinder: Mach, dass sie auch in Zukunft in einer intakten Umwelt aufwachsen können, in der die Qualität ihrer Nahrung nicht bedroht ist. Wir bitten dich, erhöre uns.

• Für alle, die Verantwortung tragen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft: Gib ihnen Weisheit bei ihren Entscheidungen, damit die Güter dieser Welt gerecht verteilt werden und der Missbrauch von Lebensmitteln verhindert wird. Wir bitten dich, erhöre uns.

• Für alle, deren tägliches Brot nicht gesichert ist: Stelle ihnen Menschen zur Seite, die sie in ihrem Überlebenskampf unterstützen und sie in eine bessere Zukunft führen. Wir bitten dich, erhöre uns.

• Für uns alle: Lass uns immer wieder innehalten und uns bewusst an deinen Gaben erfreuen. Wir bitten dich, erhöre uns.

Barmherziger Gott, du schenkst uns täglich aufs Neue, was wir brauchen. Begleite uns durch die süßen und bitteren Zeiten unseres Lebens und gib uns deinen Segen. Amen.

 Handout

Fastensonntag:  Schmecken – der Mund

Wir leben in einer Gesellschaft des Überflusses, die Regale in den Supermärkten gehen über, für jeden Geschmack ist etwas dabei, und wir können praktisch zu jeder Jahreszeit auf alle Obst- und Gemüsesorten zugreifen. Aber ist das auch notwendig, brauchen wir wirklich dieses Überangebot an Lebensmitteln? Sind wir durch diese Fülle nicht schon allzu sehr verwöhnt worden? Wir betrachten sie als so selbstverständlich, dass wir Unmut verspüren, wenn  irgendein Lebensmittel gerade ausverkauft ist oder es kein frisches Brot mehr gibt. Andererseits haben wir verlernt, dieses große Angebot an gesunden Nahrungsmitteln wirklich zu genießen und zu schätzen. In der Hektik des Alltags erfolgt die Nahrungsaufnahme oft  nebenbei und daher unbewusst und zu schnell. Wir stopfen manchmal wahllos Speisen in uns hinein, ohne sie wirklich zu beachten oder gar zu genießen. Welche innere Leere wollen wir damit füllen? Spüren wir in den kommenden Tagen  der Frage nach, wie wir unsere Nahrung auswählen und aufnehmen und worauf wir verzichten können.

für die kommende Woche:

  • Ich will mir im Supermarkt das Angebot an Lebensmitteln genau ansehen – woher kommen sie, welche künstlichen Zusatzstoffe beinhalten sie, entstammen sie artgerechter Tierhaltung? Ich entscheide mich zumindest dieses Mal für natürliche, saisonale, regionale und „fair“ hergestellte Produkte und tue damit mir und der Umwelt Gutes.
  • Ich nehme mir in dieser Woche für meine Mahlzeiten Zeit, esse langsam und nehme bewusst den Geschmack der Speisen in mich auf.  Ich weiß, dass ich diese Nahrung zum Leben brauche und bin dankbar für die Energie, die mir durch sie geschenkt wird.
  • Ich spüre den Geschmacksempfindungen auf meiner Zunge nach, indem ich süße, saure, salzige und bittere Lebensmittel koste und  versuche, den dafür zuständigen Bereich auf der Zunge zu definieren.
  • Ich verzichte einige Tage bewusst auf  bestimmte Speisen oder Getränke, an die ich mich schon allzu sehr gewöhnt oder die ich im Übermaß genossen habe. Der Genuss wird anschließend umso größer sein.
  • Ich setze mich mit meiner Familie zumindest einmal am Tag zu einer gemeinsamen Mahlzeit an den Tisch, um Gedanken auszutauschen und zusammen das Essen zu genießen. Ich weiß, dass ich meinen Kindern dadurch Geborgenheit schenke und die Familienbande stärke.

Meditation:

Botschaft des Apfels

Halt inne!
Beiß nicht gierig
in mich hinein!
Verschling mich nicht,
ohne meine Geschichte zu bedenken
von der Knospe bis zur Frucht!
Denk daran,
welcher Widerstand zu überwinden war,
welche Kälte es zu besiegen galt
und wie viel Geduld es brauchte,
bis du die Farbe meiner Reife
sehen konntest!

Halt inne,
bevor du mich
in deinesgleichen verwandelst!

(Martin Gutl: Ich weiß, wem ich glaube)

 

Ein Kommentar

  1. Es war wieder eine Freude, mit Euch EUCHARISTIE feiern zu dürfen und solche Gedanken nach Wien mitzunehmen.

    Herzlichen Gruß
    Wolfgang und Edith

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