5. Fastensonntag: Achtsamkeit beim Tasten–Fühlen–Berühren

Fastenzeit 2012: Fasten mit allen Sinnen – unsere Sinne schärfen
Für eine neue Achtsamkeit

5. Fastensonntag: Tasten–Fühlen–Berühren – die Hand
Fasten – neue Achtsamkeit beim Tasten–Fühlen–Berühren

Für die heurige Fastenzeit hat der Liturgiekreis das Thema „Fasten mit allen Sinnen“ gewählt. Wir möchten daher an jedem Sonntag einen bestimmten Sinn in den Mittelpunkt rücken und die Frage stellen, was Fasten mit diesem Sinn bedeuten kann.

Heute wollen wir uns mit dem Tastsinn beschäftigen, für den wir – wie Sie auf dem Plakat hinter mir sehen können – die Hand als Symbol gewählt haben.

Angenehm – unangenehm, warm – kalt, weich – rau, jeder hat das schon gefühlt.
Fühlen – Mitgefühl, berühren – berührt werden: Empathie, Nähe.

Wir treten in Beziehung zueinander. Wir reichen einander die Hand zum Gruß – nur weil es so üblich ist? Wir strecken die Hand aus, uns werden Hände entgegengestreckt: erwartungsvoll.

Einsamkeit, Sehnsucht nach Nähe, ein häufiges Gefühl des Menschen der Gegenwart. Clemens Berger, ein bekannter südburgenländischer Autor, schildert in seinem Roman „Das Streichelinstitut“ diese Sehnsucht des Menschen nach Berührung.

Andererseits werden wir gehemmt durch eine Angst vor Offenheit und Vertrauen, und wir treten lieber mit unseren „so genannten“ Freunden in Facebook in Kontakt, denen wir auch körperlich nicht nahe kommen

Was kann Fasten in Bezug auf unseren Tastsinn, auch auf unsere Hände, bedeuten?

Noch ein paar Gedanken zum Thema

Aggression – körperliche Attacken – Verzicht auf Aggression, als Alternative: Geduld
Nestwärme -Kind beruhigende Hand der Eltern, an der Hand geführt werden
Alte Mitmenschen, die unsere Pflege und Hilfe brauchen, die auch gerne die Hand des Mitmenschen fühlen.
Spüren des Mitmenschen – Distanz
Oberflächlichkeit,
Negatives: Workoholic, Flucht in Aktivität (Urteil der Gesellschaft)
Gefühl – Fühlen – Mitgefühl – Nähe – Empathie – Anteilnahme – in Beziehung treten –
Angenehm –unangenehm, kalt-warm, jemandem die Hand reichen, Grüßen-Friedensgruß
Jemanden unterstützen, Zuwendung
Ertasten – abtasten – vorsichtiges Abtasten (fingierte Nähe)
Mitgefühl- jemand braucht etwas ,und ich werde gebraucht (tätige Hilfe – Hand)
Handlung: schöpferischer Prozess (Alltag- persönliche Verrichtungen, Arbeit und Kreatives, Schöpfungsakt)
Berühren – berührt werden
Angenehm: weich, warm, kühl
unangenehm: spitz, stachelig, verletzend, rau

Botschaften: Wärme ausstrahlen
Zuwendung schenken (Familie – Arbeitsplatz)
Abbau der Aggression – Geduld

Tagesgebet:

Gott des Lebens, du hast uns immer die Hand entgegengestreckt und uns deinen Sohn geschickt, der durch das Auflegen der Hand Menschen von körperlichen und seelischen Leiden geheilt hat. Hilf auch uns, dass wir entgegengestreckte Hände annehmen können und selbst die Hand unserem Nächsten liebevoll entgegenstrecken. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unserenHerrn.

1. Lesung: Psalm 31, 2-5,16-17
Herr, ich suche Zuflucht bei dir. / Lass mich doch niemals scheitern; / rette mich in deiner Gerechtigkeit!
Wende dein Ohr mir zu, / erlöse mich bald! Sei mir ein schützender Fels, / eine feste Burg, die mich rettet.
Denn du bist mein Fels und meine Burg; / um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten.
Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich legten; / denn du bist meine Zuflucht.
In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; / du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.
In deiner Hand liegt mein Geschick; / entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger!
Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht, / hilf mir in deiner Güte!

2. Lesung: Apg 8, 14 – 22
Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Diese zogen hinab und beteten für sie, sie möchten den Heiligen Geist empfangen. Denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen; sie waren nur auf den Namen Jesu, des Herrn, getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist. Als Simon sah, dass durch die Handauflegung der Apostel der Geist verliehen wurde, brachte er ihnen Geld und sagte: Gebt auch mir diese Macht, damit jeder, dem ich die Hände auflege, den Heiligen Geist empfängt.
Petrus aber sagte zu ihm: Dein Silber fahre mit dir ins Verderben, wenn du meinst, die Gabe Gottes lasse sich für Geld kaufen. Du hast weder einen Anteil daran noch ein Recht darauf, denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott. Wende dich von deiner Bosheit ab und bitte den Herrn; vielleicht wird dir dein Ansinnen vergeben.

Evangelium: Mk 7, 31-37
Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: „Effata!“, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Außer sich vor Staunen, sagten sie: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

Sie kennen sicherlich alle das Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom im Vatikan, wo Gott Adam erschafft, und zwar nicht so, wie es uns die Bibel erzählt, dass Gott den Lebensatem in die Nase des Menschen einhaucht, sondern durch seine Berührung. Viele Jahre lang dachte ich zuerst, dass auf diesem Fresko Gottes Finger tatsächlich den Finger des Adam berührt und ihn so lebendig macht.

Erst viel später erkannte ich, dass Michelangelo so viel Dynamik in sein Fresko hineingelegt hat, dass durch die  „Nur-fast-Berührung“ des Fingers Gottes mit jenem von Adam, das zum Ausdruck gebracht wird, was uns die Bibel mit dem Wort „Lebensatem einhauchen“ zu erklären versucht: Gott ist der, der alles Leben schenkt.

Mensch und Gott berühren einander an ihren sensibelsten Stellen – an den Fingerspitzen. Damit erhält diese Szene für mich persönlich einen ungeheuer zärtlichen und gefühlvollen Ausdruck. Die Erschaffung des Menschen ist kein martialischer, auch kein despotischer, machtbesessener Vorgang, sondern Michelangelo möchte uns sagen: Die Erschaffung Adams durch Gott ist zu vergleichen mit einem „berührend-zärtlichen“ Akt der Liebe und Zuneigung.

Wen wundert’s, dass auch für Jesus die Berührung überaus wichtig war, um damit Gott spürbar zu machen. Und durch dieser Berührung von Jesus verspüren Menschen Heilung, werden gesund; erfahren, dass eine Kraft von Jesus ausgeht, die ihr konkretes Leben verändert: „Gut hat er alles gemacht“, sagen die Menschen, nachdem sie Jesus berührt hatte.

Unser Gott ist ein Gott, der uns berühren möchte, ein Gott, der sich aber auch selbst berühren lässt. Und dort, wo wir diese Berührung Gottes zulassen, wo wir bereit sind, seine zärtliche Berührung zu verspüren, da werden wir verwandelt, heil gemacht.

Vielleicht ist das Fresko Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle eine Einladung an jedeN von uns: Wir sollen berühren und uns berühren lassen – berühren mit unserer Lebenskraft und Freude, mit der Echtheit unserer Ausstrahlung, mit der Glaubwürdigkeit unserer Zuversicht, berühren mit der Zärtlichkeit unserer Liebe. Berühren lassen sollen wir uns von der Not des anderen, von Beziehungsnetzen, die andere nach uns auswerfen, vom Glück, das andere mit uns teilen wollen…

Reich Gottes ist für mich – um nochmals Michelangelos Fresko zu bemühen – zugeneigtes Sich-Berühren, – herrschaftsfrei und anspruchslos. Nur so machen wir Gott erfahrbar – in Kirche und Welt, heute und bis in Ewigkeit.

Fürbitten:
Gütiger Gott, du hast uns mit der Fähigkeit zu fühlen ausgestattet und uns auch Möglichkeiten zum Handeln gegeben. Deshalb bitten wir dich:
• Für unsere Kinder, die von vielfältigen äußeren Einflüssen geprägt werden, dass Eltern sich in der Hektik des Alltags mitfühlend Zeit für sie nehmen und ihnen die Hand reichen, um ihnen Orientierung zu geben. Christus, höre uns!

Christus erhöre uns!

• Für die Einsamen in unserer Pfarrgemeinde: dass sie Menschen finden, die menschliche Wärme ausstrahlen und sich mitfühlend ihnen zuwenden. Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

• Für alle die in pflegenden Berufen tätig sind, dass sie trotz der Schwierigkeiten ihres Berufs ihre Hände immer auch mitfühlend einsetzen können. Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

• Für alle Menschen, die sich im Laufe ihres Lebens durch erlittene Kränkungen sich eingekapselt und abgeschlossen haben, dass sie mitfühlende Zuwendung anderer Menschen wieder empfangen können. Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

• Für alle, die Verantwortung tragen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft: dass sie nie das Ziel aus den Augen verlieren, zum Wohle der von ihnen vertretenen Menschen zu handeln und dass sie erkennen, dass Geben seliger ist als Nehmen. Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

• Für uns alle: Lass uns erkennen, wo wir als mitfühlende und tätige Menschen gebraucht werden. Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!
Barmherziger Gott, wir wissen, dass unsere Hände Segen oder Unheil bringen können. Dass wir auf sie Acht geben und sie immer als deine Gabe betrachten mögen, darum bitten wir, durch Christus, unseren Herrn. Amen.

 

Meditation:

Die Macht der Hände
Die liebende Hand der Mutter
Die gütige Hand des Vaters
Die führenden Hände der Eltern
Die Zärtlichkeit suchenden Hände der Liebenden und
Die Zärtlichkeit spendenden Hände der Liebenden
Die offen ausgestreckte Hand des Freundes
Die zupackende Hand des Arbeiters
Die rettende Hand des Mutigen, der die Gefahr nicht scheut
Die tastende Hand des Blinden
Die vergebende Hand des Mitbruders, der Mitschwester
Die beschwichtigende Hand der Kollegin
Die helfende Hand des Nächsten.
Die dankende Hand des alten und kranken Mitmenschen
Die gläubigen Hände, die sich zum Gebet falten
Die segnende Hand des Priesters

Gottes Hand
Gottes Hand ist alles
Gottes Hand ist überall

 

Handout

5. Fastensonntag: Tasten-Fühlen-Berühren – die Hand

Wir treten in Beziehung zueinander. Wir reichen einander die Hand zum Gruß – nur weil es so üblich ist?
Wir strecken die Hand aus – uns werden Hände entgegengestreckt: erwartungsvoll.
Einsamkeit, Sehnsucht nach Nähe, ein häufiges Gefühl des Menschen der Gegenwart. Clemens Berger, ein bekannter südburgenländischer Autor, schildert in seinem Roman „Das Streichelinstitut“ diese Sehnsucht des Menschen nach Berührung.
Es ist wieder üblich geworden, sich bei der Begrüßung zu küssen („Bussi-Bussi- Gesellschaft“). Aber gehen wir deswegen liebevoller miteinander um?
Andererseits werden wir gehemmt durch eine Angst vor Offenheit und Vertrauen, und wir treten lieber mit unseren „so genannten“ Freunden auf Facebook in Kontakt, denen man auch körperlich nicht nahe kommt.
Wir können mit unseren Händen grob und aggressiv sein oder zärtlich und mitfühlend.
Wie geht es uns wenn, wir berührt werden? Werden wir auch innerlich berührt?

für die kommende Woche:

• Ich bin aufmerksam, wenn ich jemanden die Hand gebe und versuche, in diesem Augenblick ganz auf mein Gegenüber einzugehen.

• Ich strecke bewusst meine Hand aus, um einem Mitmenschen meine Wertschätzung auszudrücken.

• Ich umarme ganz bewusst mein Kind oder einen geliebten Menschen als Ausdruck meiner Zuneigung.

• Ich verzichte aber auf unnötige Berührungen dort, wo ich unerwünscht in die Privatsphäre meines Gegenübers vordringen könnte.

• Ich tue meiner Haut etwas Gutes und versuche bewusst zu fühlen.