1. Fastensonntag: Armut und Ungerechtigkeit – materielle Defizite

Fastenzeit 2015
Passion 2015: Unser Kreuzweg heute

1. Fastensonntag: „Armut und Ungerechtigkeit – materielle Defizite“

Einleitung:

Immer mehr Menschen leiden darunter, nicht genug zum Leben zu haben, ihre Familie nicht versorgen zu können, vom Einkommen aus dem Teilzeitjob die Rechnungen, die Reparaturen, die Heizung nicht bezahlen zu können. Auch wer nicht direkt von Armut bedroht ist, macht sich Sorgen wegen seines Arbeitsplatzes, wegen der wirtschaftlichen Lage, der immer höheren Staatsverschuldung. Während immer mehr Menschen von materiellen Defiziten betroffen sind, wird ein anderer, kleiner Teil immer reicher. Die Ungerechtigkeit – auch bei uns, aber vor allem weltweit – schreit zum Himmel. Wir brauchen eine Neuausrichtung, neue Modelle, neue Wege …

Die Politiker, die Wirtschaftsfachleute, wir alle sind gefordert – im Großen und im Kleinen. Was können wir, was kann ich konkret tun?

Ich werde dem Caritas-Laden in Oberwart gut erhaltene Kleidung und eine Schachtel mit Lebensmittel bringen. Bei all meinen Einkäufen möchte ich besonders auf regionale und fair gehandelte Produkte achten!

Ich lade auch Sie alle ein, in dieser Woche in irgendeiner Weise etwas gegen Armut und Ungerechtigkeit zu tun!

 

Kyrie:

Lesung: Jes 58, 6-8
Geh und sprich zu meinem Volk: Das ist ein Fasten, wie ich es liebe:
die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen,
die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen,
an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen,
wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden
und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell vernarben.
Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.

 

Evangelium: Lk 16,19-31
Das Beispiel vom reichen Mann und vom armen Lazarus:

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

 

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

Weltweit stirbt alle fünf bis zehn Sekunden ein Kind an Hunger. Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung wird nicht müde, diese „Massenvernichtung in der Dritten Welt“ anzuprangern, wie er es in seinem Buch „Wir lassen sie verhungern“ bezeichnet. Und er meint, dass zwar die Mechanismen, die diese Massenvernichtung von Menschen verursachen, komplex sind, ein nicht unbedeutender Aspekt jedoch in den Spekulationen auf Grundnahrungsmitteln zu finden ist.

Jene Trader, die auf Grundnahrungmitteln spekulieren, erwirtschaften ganz legal astronomische Profite. Der World Food Report sagt, dass die Weltlandwirtschaft in der heutigen Phase der Entwicklung der Produktionskräfte problemlos pro Tag zwölf Milliarden Menschen ernähren könnte. Das ist nahezu das Doppelte der Weltbevölkerung.

Seit Beginn dieses Jahrtausends gibt es keinen objektiven Nahrungsmittelmangel mehr. „Jedes Kind, das jetzt gerade stirbt, wird ermordet. Dieses Massaker geschieht in absoluter und eisiger Normalität. Es ist kein fernes Sterben. Jeder weiß Bescheid. 57.000 Menschen verhungern täglich, eine Milliarde von den sieben Milliarden der Erdbevölkerung sind permanent unterernährt. 2012 sind 18,2 Millionen Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen gestorben“, zitiert Jean Ziegler die Welternährungsorganisation FAO.

Und er formuliert es ganz drastisch, wenn er festhält: „Hunger ist heute bei weitem die brutalste, bedeutsamste Todesursache auf diesem Planeten. Hunger ist ein organisiertes Verbrechen, er ist das Werk von Menschen und kann durch Menschen besiegt werden. Jeder weiß, dass dieser fürchterliche Massenmord durch verfassungsgerechte Reformen in Demokratien schon morgen Früh gestoppt werden könnte. Nur der Zufall der physischen Geburt trennt uns von den Opfern, nichts anderes. Das Solidaritätsbewusstsein, der Aufstand des Gewissens, steht bevor. Keine Börse funktioniert im rechtsfreien Raum. Wäre der Druck der BürgerInnen stark genug, könnten Parlamente sofort eine Revision vornehmen und alle Marktteilnehmer, die weder Produzenten noch Verbraucher sind, vom Markt von Grundnahrungsmitteln ausschließen.“

Diese derzeit geltende kannibalische Weltordnung wird durch eine ganz schmale Klasse der Finanzoligarchie nach dem Profitmaximierungsprinzip beherrscht: Zehn Konzerne kontrollieren 85 Prozent aller weltweit gehandelten Nahrungsmittel. Natürlich versuchen diese nicht, den Hunger in Somalia zu bekämpfen. Es ist die strukturelle Gewalt, die dieser kannibalischen Weltordnung innewohnt, nicht die Böswilligkeit der Einzelnen.

Die Konzerndiktatur auf dieser Welt muss und kann gebrochen werden von den freien BürgerInnen, ist Jean Ziegler überzeugt. Und er zitiert den französischen Schriftsteller Georges Bernanos, der gesagt hat: „Gott hat keine anderen Hände als die unseren.“ Und Jean Ziegler schließt mit dem Aufruf: „Entweder wir brechen diese kannibalische Weltordnung, oder es tut niemand“ – heute und für alle Ewigkeit.

mehr Info’s unter:
http://de.wfp.org/hunger
http://derstandard.at/1360161035793/Ziegler-Hunger-ist-organisiertes-Verbrechen
http://www.heute.de/welthunger-index-2014-fortschritt-und-tragoedie-im-kampf-gegen-hunger-35370964.html
http://www.salzburg24.at/hunger-alle-zehn-sekunden-stirbt-ein-kind/4117402
Literatur:
Jean Ziegler, Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der Dritten Welt, Verlag Bertelsmann 2012.

 

Meditation:
Das Brot teilen

wenn wir das brot miteinander teilen
dann teilen wir damit ein stück alltag
was uns aufbaut und kraft gibt
wenn wir das brot miteinander teilen,
dann teilen wir unsere sorge um arbeit und zukunft
um frieden und gesichertes leben
wenn wir das brot miteinander teilen
dann teilen wir den dank für das leben
heute atmen und wachsen zu können
wenn wir anfangen gerecht miteinander zu teilen
erst dann werden wir menschen

nach Almut Haneberg
aus: Zeitschrift das zeichen, 1990 (peter hanel)