3. Fastensonntag: Angst – psychische Defizite

Fastenzeit 2015
Passion 2015: Unser Kreuzweg heute

3. Fastensonntag: „Angst – psychische Defizite“

Einleitung:

Unser Hier und Heute wird von vielen Menschen immer mehr als belastend und bedrückend empfunden.

Belastend und bedrückend empfinden wir Ängste vor – vermeintlicher oder realer – Bedrohung:

Terror – die Bilder von den Anschlägen heuer in Frankreich und Dänemark erschüttern unsere Erwartungen von „Weit weg, geht uns nicht wirklich was an“.
• Auch Fremden begegnen wir häufig ablehnend und distanziert, weil wir uns durch sie in unseren Möglichkeiten eingeschränkt fühlen.

In unserer heutigen Gesellschaft definiert sich der Wert des Menschen vielfach nur noch über sein Funktionieren, seine Brauchbarkeit. Dieses ständige Beurteilt-werden erzeugt Versagensängste:

• Kinder haben Angst vor dem Versagen in der Schule, vor ihren Freunden, ja sogar in der Familie.
• Familien glauben ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft gerecht werden zu müssen, Standards und Statussymbole aufweisen zu können.
• Berufstätige haben Angst ihren Arbeitsplatz, eine angemessene Entlohnung zu verlieren.

Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, aber auch Ebola und Aids machen uns Angst.

Tief verwurzelt erleben wir unsere Angst vor dem Tod.

Was kann jeder von uns tun, um diese Ängste kleiner werden zu lassen?

Unser Glaube schenkt uns die Gewissheit, in Gottes Hand zu liegen, von ihm geführt zu werden.
Das Wissen zu vermitteln, dass vor aller Leistung der Mensch als Mensch steht weiterzugeben, indem ich meinen Mitmenschen, meinen Nächsten bewusst mehr Zeit widme, für sie mehr Interesse aufbringe, wirkliche Gespräche führe.

Ich möchte in den nächsten Wochen auf die Frage “Wie geht es dir?“ zu einem persönlichen und empathischen Gespräch finden.

„Allmächtiger Vater, wir wissen, dass unsere menschlichen Schwächen es oft verhindern, dass wir Deinen Geboten nachkommen. Damit es uns aber gelingen möge, uns zu verändern, wollen wir im Kyrie Dein Erbarmen herabrufen.“

Kyrie:

Lesung: 1. Buch der Könige, Vers 1 -8
Ahab erzählte Isebel alles, was Elija getan und wie er die Propheten mit dem Schwert umgebracht hatte. Da schickte Isebel einen Boten zu Elija und ließ ihm ausrichten: „Die Götter sollen mich strafen, wenn ich morgen um diese Zeit dein Leben nicht einem von ihnen gleich mache.“ Da packte Elija die Angst und er lief um sein Leben. Als er nach Beerscheba kam, das zu Juda gehört, ließ er seinen Diener dort zurück und ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dann setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich zu sterben. „Jetzt ist es genug, Jahwe!“, sagte er. „Nimm mein Leben von mir! Ich bin auch nicht besser als meine Väter.“ Dann legte er sich hin und schlief unter dem einsamen Ginsterbusch ein. Da rührte ihn auf einmal ein Engel an und sagte: „Steh auf und iss!“ Als Elija sich umschaute, sah er neben seinem Kopf ein Fladenbrot, das auf heißen Steinen gebacken war, und einen Krug Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin. Doch der Engel Jahwes kam noch einmal und weckte ihn. „Steh auf und iss!“, sagte er. „Du hast einen weiten Weg vor dir.“ Er erhob sich, aß und trank und machte sich auf den Weg. Die Speise gab ihm so viel Kraft, dass er vierzig Tage und Nächte hindurch gehen konnte, bis er zum Gottesberg Horeb kam.

Evangelium: Mt 26, 36-41
Gebet im Garten Getsemani
Darauf kam Jesus mit den Jüngern zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, und sagte zu ihnen: Setzt euch und wartet hier, während ich dort bete. Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!
Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.
Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Predigt von Pfarrer Dietmar D. Stipsits

Liebe ChristInnen!

Angst lähmt, behaupte ich. In einem Klima der Angst gedeihen keine neuen Ideen, egal ob in der Firma, in unserem Österreich, in unserer Gesellschaft, in der Politik, in unserer Kirche… Wo Angst herrscht, da kann nicht kreativ gearbeitet werden, und es kann sich nichts entwickeln. Das Einzige, worum sich alle kümmern werden, ist die Sorge, selber ja keinen Fehler zu machen.

Angst verbindet nicht, sondern entzweit. Jeder kreist plötzlich nur mehr um sich selbst. Er wird sich bemühen, selber gut dazustehen, damit er nicht angegriffen und kritisiert wird. Und wer Angst hat, der wird jeden Fehler den andern zuschieben. So entwickelt sich ein Klima des Misstrauens, der gegenseitigen Verdächtigung, der Schuldzuweisungen.

Das Klima des Mobbings, das wir heutzutage in unserer Arbeitswelt vorfinden, geht letztlich auf den Führungsstil der Verantwortlichen zurück. Wer von seinen MitarbeiterInnen gefürchtet werden will, der erzeugt ein Klima der Angst und der Spaltung. Da kämpft dann jeder gegen jeden. Die einzige Gemeinsamkeit, die hier entstehen wird, ist die der Verbündung gegen den Schwächsten. Der wird zum Sündenbock gemacht. Und sobald der dann „in die Wüste geschickt“ wurde, wird der nächste zum Sündenbock gestempelt, um abgeschossen zu werden.
Angst lähmt, schafft Mauern, kann zu tiefgehenden Verletzungen führen. Und zudem frag ich mich, ob es womöglich nicht auch sogar einen Zusammenhang zwischen einer abnehmenden Bedeutung von Religion und der Zunahme von Angst in unserer Gesellschaft gibt? Wie kann ich also mit Angst umgehen?

Elija und Jesus zeigen uns einen möglichen Weg: Sie stellen sich ihrer Angst, sprechen sie an und aus, ja sie schleudern sie Gott vor die Füße. Ich finde, dass diese Vorgangsweise eine sehr gute ist, mich meinen Ängsten zu stellen und sie zu verarbeiten: im Beten. Und wenn ich hier vom „Beten“ spreche, dann meine ich damit kein routinemäßiges Beten, kein Aufsagen von Gebeten, sondern ich meine damit den bewussten Dialog mit Gott, so wie es Elija und Jesus taten.

Beide sind durch die Angst hindurchgegangen und im Durchgehen, im Aushalten haben sie ihre Angst überwunden. Ja, bei beiden hat die Erfahrung von Angst dazu beigetragen, ihre Gottesbeziehung zu vertiefen. Vielleicht möchten uns die heutigen Lesungstexte ermuntern, dass wir uns in all unseren verschiedenen Lebens-Ängsten wirklich Gott, seiner Führung überlassen können.

Angst kann lähmen. Wenn wir jedoch bereit sind, uns unseren Ängsten zu stellen und sie Gott zu übergeben, dann werden sie uns dazu führen, tiefer Gott zu erfahren – heute und jeden Tag unseres Lebens und in Ewigkeit.

 

Fürbitten:

Vater im Himmel. Dein Sohn kam als Mensch in unsere Welt und hat als Mensch am Ölberg voll Angst zu dir gebetet.

• Wir bitten Dich für unsere Kinder: Schenke ihnen verständnisvolle Eltern, Erziehungsberechtigte und Lehrer, die sie in Situationen der Angst an der Hand nehmen und begleiten.
A: Wir bitten dich, erhöre uns!

• Wir bitten dich für alle, die kranke und einsame Menschen pflegen oder einen medizinischen Beruf ausüben: Gib ihnen Kraft für ihren Einsatz und schenke ihnen täglich die Gewissheit, dass ihr Dienst am Einzelnen deine Botschaft der Liebe weiter trägt.

• Wir bitten Dich für die Regierenden bei uns und anderswo: Wecke in ihnen das Bewusstsein, dass nicht populistisches Schüren von Ängsten gegenüber Fremden sondern das Fördern der Zusammenarbeit Terror und Gewalt verhindern kann.

• Wir bitten Dich für uns alle, dass Du uns erkennen lässt, wenn in unserer Umgebung ein Mitbruder oder eine Mitschwester unsere Zuwendung braucht und lass uns dann die richtigen Worte finden.

Gott, unser Vater. Oft fühlen wir uns gegenüber Not und Leid um uns machtlos. Doch mit Dir ist nichts unmöglich. Im Vertrauen darauf, dass Du unsere Bitten erhörst, wollen wir unseren Teil zum Gelingen beitragen – durch Christus, unseren Herrn.
Meditation: Bei Dir bin ich sicher

Herr, bei Dir bin ich sicher;
wenn Du mich hältst, habe ich nichts zu fürchten.
Ich weiß wenig von der Zukunft, aber ich vertraue auf Dich.
Gib, was gut ist für mich.
Nimm, was mir schaden kann.
Wenn Sorgen und Leid kommen, hilf mir, sie zu tragen.
Lass mich Dich erkennen, an Dich glauben und Dir dienen.

John Henry Newman
(Kardinal, Seligsprechung 2010)