„Angesagt wäre, die Pfarren zu verkleinern“

Interview mit Helmut Schüller zum Thema Seelsorgeraum, veröffentlicht in der Reihe „Kirchenmänner, die bewegen“ der Linzer Kirchenzeitung (6.4.2011) :

Mit seiner Pfarrerinitiative kämpft Helmut Schüller für Reformen in der katholischen Kirche. In Eferding berichtet er über sein Leben und Wirken als Landpfarrer. Im Vorfeld erklärte er der KirchenZeitung, dass es Pfarrverkleinerungen braucht und Alleingänge an der Basis Veränderungen bewirken werden.

Was sind Vorzüge von einer kleinen Landpfarre?
Helmut Schüller: Die Chance in einer Pfarre auf dem Land ist größer, mehr Gemeinschaft aufzubauen und die Leute besser zu kennen. Ein Problem ist, dass in den Landpfarren die Tradition und das Brauchtum ein sehr starkes Gewicht haben, das ist manchmal gar nicht so leicht ins Heute rüberzubringen.

Vielerorts strebt man Kooperationen zwischen benachbarten Pfarren an, wie etwa auch im Dekanat Eferding, in dem Sie zu Gast sind. Was kann ein sinnvoller Weg sein?
Zusammenarbeit ist in der Verwaltung sinnvoll. Und es muss nicht jede Pfarre das Rad neu erfinden.

Wie arbeiten Sie konkret zusammen?
In der Erwachsenenbildung, Firmungen, sozialen Projekten und Ähnlichem. Das sind alles Zukunftsfelder. Die wesentlichen Dinge in der Verwaltung werden von der größeren Nachbarpfarre erledigt. Und ich bin wieder frei für viele Dinge.

Wo ist Zusammenarbeit nicht sinnvoll?
Wenn zusammengelegte Gemeinden für die zentralen Glaubens- und Sakramentenvollzüge auf Priester von auswärts angewiesen sind. Das wird auf Dauer nicht funktionieren, weil die Sakramente von denen gespendet werden sollen, die mit der Gemeinde leben.

Warum ist die Bedeutung der Pfarren vor Ort so groß, es gibt ja auch noch Stifte und Klöster?
Pfarrgemeinden sind nicht nur Servicestellen, wo man sich irgendwas abholt, sondern Gemeinden sollen Lern- und Übungsorte für christliches Leben, für christliche Solidarität sein. In der Überschaubarkeit liegt ja gleichzeitig die Herausforderung. Hier müssen wir uns einsetzen, Solidarität üben, für die ganz konkreten Leute in Not, die hier leben.

Sie sprechen es in Ihrem Buch „Notizen eines Landpfarres“ an, dass Sie in Probstdorf wahrscheinlich keinen Nachfolger haben. Wie sehr beschäftigt Sie das?
Was heißt beschäftigen, das bedrückt mich sogar sehr. Aber ich habe mich entschlossen, aus der Bedrückung etwas anderes zu machen. Ich werde anfangen, mit meiner Gemeinde die Schritte zu besprechen, dass sie als Pfarre selbst vollständig weiterbestehen können. Wir werden Leute ermitteln, die die Gemeinde leiten können, inklusive aller Sakramentenfeiern.

Betrifft das auch die Eucharistiefeier?
Sie sollen auch der Eucharistie vorstehen können. Die werden wir dem Bischof vorschlagen zur Beauftragung. Ich werde sicher nicht zuschauen, dass die vier Dörfer meiner Pfarre an irgendwelche anderen Pfarren angehängt werden. Das wird mit mir nicht zu machen sein, das werde ich verhindern.

Wie hat Ihre Gemeinde Probstdorf das Krisenjahr 2010 mit den Missbrauchsskandalen gespürt?
Natürlich ist es spürbar. Die Menschen, mit denen man wenig Kontakt gehabt hat, treten eher aus.

Wie gehen Sie als Pfarrer konkret mit Ausgetretenen um?
Ich mache möglichst wenig Unterschiede. Ich besuche zum Beispiel alle runden Geburtstagsjubilare meiner Pfarre, egal, ob sie bei der Kirche sind oder nicht.

Was fördert den Kontakt mit jenen, die der Kirche fernstehen?
Je weiter jemand weg von der Kirche lebt, desto mehr ist er oder sie auf gut gelingende Kontakte angewiesen. Angesagt wäre deshalb, die Pfarren zu verkleinern, neue Gemeinden zu gründen und näher an die Leute ranzurücken. Das wäre etwas, was man üblicherweise tun würde, wenn man es mit dem Phänomen einer Abwanderung zu tun hat.

Da fehlen aber die Priester.
Man darf sich nicht so wie jetzt fragen, wie viele Gemeinden gehen sich aufgrund der vorhandenen Priester aus, sondern: Wie viel Leiter und Leiterinnen von Gemeinden brauchen wir für die notwendige Zahl von Gemeinden? Dafür muss man viele Schatten und viele Traditionen überspringen, aber das ist die große logische Zukunftsperspektive.

Wie sehen Sie Modelle, wo Ehrenamtliche die Pfarre praktisch leiten?
Problematisch ist, dass sie im Prinzip alles tun, was sie letztlich auch befähigen würde, miteinander Eucharistie zu feiern. Aber sie dürfen es nicht. Das ist absurd.

Sie reden in der Reihe „Kirchenmänner, die bewegen“. Gibt es auch Frauen, die das können, oder ist das ausgeblendet?
Offiziell ist das ausgeblendet. Das Thema „Geschlechterdiskrimierung“ ist nach wie vor nicht beendet in der Ämterfrage. Obwohl die Frauen überproportional das kirchliche Leben tragen. Das wird sich aber von selber ändern. Es wird sich durch Alleingänge an der Basis ändern.

Gegenüber dem „Standard“ haben Sie kürzlich gesagt, dass Sie den päpstlichen Ehrentitel Monsignore zurückgeben wollen? Haben Sie das inzwischen schon getan?
Mit dem Gedanken trage ich mich. Wenn das weitergeht mit der Reformverweigerung, werde ich das machen.

Helmut Schüller (57): Der ehemalige Caritaschef und Generalvikar der Erzdiözese Wien ist Pfarrer in Probstdorf und Seelsorger an der Wirtschaftsuni Wien.