Erzbistum München analysiert Pfarrzusammenlegungen

Oberbayrisches Volksblatt, 17.03.16
Erzbistum stellt Seelsorge auf den Prüfstand

München – Vor sechs Jahren sind im Erzbistum München und Freising Veränderungen in der Seelsorge angepackt worden: Pfarreien wurden zusammengelegt, Strukturen verändert. Wie es aus dem Ordinariat heißt, sollen neue Modelle zur Seelsorge ohne Denkverbote diskutiert werden.

Jetzt hat Kardinal Reinhard Marx die Bischofsvikare beauftragt, eine Studie durchzuführen, um die Auswirkungen zu untersuchen. Vier Zielgruppen sollen befragt werden: 200 Priester, die einen Pfarrverband oder eine Einzelpfarrei leiten; 800 weitere Priester, Diakone und Pastoralreferenten, die in Seelsorgeteams mitarbeiten; 1000 Ehrenamtliche und weitere Gläubige. Zudem werden in vertieften Gesprächen 20 Frauen und Männer detailliert interviewt. Ende 2016 sollen die Ergebnisse der Studie, die wissenschaftlich begleitet wird, vorliegen.

Wer leitet eine Pfarrei in Zukunft? Muss das immer ein Pfarrer sein? Die Zusammenlegung von Pfarreien soll beendet werden. „Wir wollen Kirche vor Ort bleiben“, wird der Kardinal zitiert.

Walter Waldschütz (63), Dekan von Miesbach, leitet den Pfarrverband Tegernsee-Egern-Kreuth. Drei Pfarreien mit rund 7000 Katholiken betreut er, unterstützt von einem weiteren Priester, einer Pastoralreferentin, einem Diakon und einem Ruhestandspfarrer.

„Es gehen ja nicht mehr so viele Menschen in die Kirche.“ Diese Aussage werde vom Ordinariat häufig als Argument dafür genutzt, um Aufgaben anders zu verteilen. Dekan Waldschütz sieht das anders: „Wenn wir missionarische Seelsorge betreiben wollen, dann müssen wir doch gerade noch mehr Arbeit da hineinstecken.“ Der Pfarrer bezieht sich auf Papst Franziskus, der doch dazu aufrufe, „an die Ränder“ zu gehen. Trotzdem sieht er Vorteile durch die Strukturreform. „Wir dürfen unsere Prioritäten selber setzen und sind ein Stück autonom. Das ist gut.“ Er habe auch gleich mit den Pfarrgemeinderäten ein Pastoralkonzept erarbeitet – das war viel Arbeit, aber jetzt sei es eine große Erleichterung.

Trotzdem bereiten ihm die immer größeren Einheiten Sorge. Beispiel: Karsamstag feiert er um 21 Uhr in Kreuth die Osterauferstehungsfeier, Mitternacht ist er daheim. Um vier Uhr morgens hat er den nächsten Gottesdienst in Tegernsee. „Wie kann man da noch mit vollem Herzen und ganzer Aufmerksamkeit dabei sein?“ Man müsse neue Formen finden und wieder zu kleineren Einheiten kommen. Die Menschen suchten die Seelsorge, auch wenn sie nicht mehr in der Kirche sind.

Waldschütz denkt an eine „Wohnviertel-Pastoral“, wo speziell ausgebildete Laien Wortgottesdienste halten, Kommunion austeilen und Beerdigungen abhalten. Der Priester hält die Beichte, feiert die Messe. Ein Schritt in die richtige Richtung sei der Einsatz von Verwaltungsleitern. „Ich krieg Ressourcen frei für das, wofür ich geweiht worden bin.“ Eine solche Studie, wie sie jetzt in Auftrag gegeben wird, sei gut, „aber man muss die Ergebnisse dann auch umsetzen“. Claudia Möllers

 

Süddeutsche, 16. März 2016
Im Guten wie im Schlechten
Die katholische Kirche will wissen, wie ihre Strukturreform ankommt