Morgengedanken – „Bibel und Lebensfreude. Passt das zusammen?“

Sonntag, 27. Juni 2021:

„Der sündige Mensch?“

„Wenn ich in die Kirche gehe, hör ich dauernd: Ich bin schlecht! Ich sündige, ich hab das und jenes falsch gemacht.“ Das verbinden – so glaube ich – sehr, sehr viele Menschen mit der Kirche: „Die sagt mir jedes Mal, wie schlecht ich bin.“ Sünde, Schuld, umkehren… das sind so Wörter, mit denen Menschen die Kirche oder den Glauben beschreiben. Ist das wirklich das Wichtigste in der Kirche? Vermitteln Christ*innen, die aussehen, als ob sie auf einem Begräbnis wären beim Sonntagsgottesdienst tatsächlich die Botschaft des christlichen Glaubens? Oder versucht uns nicht die gesamte Bibel eine ganz andere, nämlich eine „Frohbotschaft“ zu vermitteln?

Mit meinen Morgengedanken möchte ich mich in dieser Woche auf Entdeckungsreise begeben, um ein wenig in der Bibel  zu stöbern und zu schauen, welchen Stellenwert eigentlich die Freude, die „Frohe Botschaft“ in der Hl. Schrift einnimmt, und ob Gott uns Menschen nicht von Anfang seiner Schöpfung an zur Freude hinführen möchte? Schon Psalm 16 zeigt mir ganz deutlich: Wer auf Gott schaut, wer auf Gott vertraut, der wird seinen Lebensweg finden, der wird Freude in Fülle erleben (Ps 16,11). Das ist für mich die „Frohe Botschaft“ der Bibel.

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Montag, 28. Juni 2021:

Gott sprach: „Es war sehr gut“ (Gen 1,31)

Frag ich Leute, was ihnen spontan einfällt zur Schöpfungsgeschichte in der Bibel, antworten sehr viele mit: „Der Sündenfall.“ Viele erinnern sich an das, was sie von Kindesbeinen an in unserer Kirche erzählt bekommen haben, nämlich jene Geschichte, dass Eva vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse im Garten Eden gegessen hat, und auch Adam dazu verführte.

Ist dieser Sündenfall des Adams tatsächlich die wichtigste Botschaft der Schöpfungserzählung im Buch Genesis? Schauen wir auf das 1. Kapitel über die Erschaffung der Welt, finden wir dort gebetsmühlenartig wiederholt die Feststellung: „Gott sah dass es gut war“ (Gen 1,4.10.12.18.21.25). Sechsmal finden wir diesen Satz, am Ende der Schöpfungsgeschichte dann noch ein siebentes Mal in Gen 1,31 mit einer abschließenden Steigerung sogar: „Und siehe, es war sehr gut.“

Nicht die Sünde steht an erster Stelle unseres Christseins, sondern vielmehr die positive biblische Sicht, dass alles von Gott „gut“ geschaffen wurde: „Und siehe, es war sehr gut“ – dieser Satz, er gilt auch mir. Eine erste „Frohe Botschaft“, die mir die Bibel gleich zu Beginn zu vermitteln versucht.

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Dienstag, 29. Juni 2021:

Gott ist mit uns

Eine nächste „Frohe Botschaft“ habe ich entdeckt, die sich durch die gesamte Bibel hindurchzieht. Unzählige Mal finde ich in der Hl. Schrift die Feststellung, dass Gott mit uns Menschen ist, dass der Gott der Bibel ein Gott-mit-uns, ein „Immanu-El“ ist.

Eine der vielen Stellen findet sich im 1. Kapitel des Buches Josua. Das Volk Israel steht wieder einmal vor einer völlig neuen Situation. Es weiß nicht, was es da im „Gelobten Land“ erleben wird, ob das Land auch wirklich neue Heimat wird, welche Schwierigkeiten und Probleme auftreten werden… In dieser Umbruchssituation zwischen jahrzehntelanger Wüstenwanderung und endlich sesshaft werden, steht die Zusage, die in meinen Augen tatsächlich eine „Frohe Botschaft“ ist: „Hab keine Angst! Sei mutig und stark! Ich, dein Gott, bin mit dir – immer, in jedem Augenblick!“ (vgl. Jos 1,5f.9).

Das ist die Botschaft, die ich nicht nur im Buch Josua, sondern in der ganzen Hl. Schrift entdecke: „Hab keine Angst! Sei mutig und stark! Ich, dein Gott, bin mit dir“. An dieser biblischen Freude halte ich mich fest. Diese „Frohe Botschaft“ trägt mich durch mein ganzes Leben hindurch.

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Mittwoch, 30. Juni 2021:

Es gibt für alles eine Lösung

Eine dritte „Frohe Botschaft“, die ich in der Bibel findet, lautet: „Es gibt für alles eine Lösung“. Ein Beispiel dafür ist für mich die Geschichte von Hanna im 1. Samuelbuch (1 Sam 1,10-20). Hanna war zunächst unfruchtbar. Sie konnte keine Kinder bekommen. Jedes Jahr zog Hanna mit ihrer Familie nach Schilo zum Tempel, um dort JHWH ein Opfer darzubringen. Tränenreich klagt sie ihr Leid. Und tatsächlich, die unfruchtbare Hanna wird schwanger und bringt einen Sohn zur Welt, Samuel, einen ganz wichtigen Propheten in der Geschichte des Volkes Israel.

Die Hl. Schrift ist voll mit Geschichten, in denen Menschen vor ausweglosen Situationen stehen, ihr Leid Gott klagen, von ihm Hilfe erbitten und diese auch erhalten. Die Bibel wird nicht müde, der Leserin/dem Leser zu sagen: „Es gibt für alles eine Lösung“.

Eine dritte, wichtige „Frohe Botschaft“ der Bibel ist also für mich: „Es gibt für alles eine Lösung“. Mit Hanna vertraue ich darauf, dass es einen Gott gibt, der mich kennt, der um meine Schwierigkeiten weiß, und der mir hilft, wenn ich keinen Ausweg mehr sehe: „Es gibt für alles eine Lösung“.

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Donnerstag, 01. Juli 2021:

Gott vergibt

Der Psalm 103 verrät mir eine nächste „Frohe Botschaft“, nämlich dass Gott immer wieder vergibt: „Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden“ (Ps 103,10). Immer und immer wieder sündigt das Volk, wendet sich von Gott ab, tut nicht das, was recht ist in Gottes Augen. Nie lässt Gott die Israeliten fallen, nie sagt er: „Mir reicht es jetzt. Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben“. Nie kann die Sünde des Volkes so groß sein, dass er, Gott, es nicht wieder neu versucht mit ihm, trotz aller Treulosigkeit der Menschen.

Ich frag mich so oft nach Seelsorgegesprächen, warum so viele Menschen – auch heute noch – glauben, Gott sei einer, der vor allem bestraft, der es uns heimzahlt, der ein Rächer, Richter und ein strafender Gott ist? Ich frag mich immer öfter, warum Christ*innen nicht endlich auf die Botschaft der Bibel hören: Gott ist einer, der vergibt. Gott ist einer, der barmherzig ist und gnädig, geduldig und von großer Güte. Gott ist einer, der nicht mit uns handelt nach unseren Sünden. Eine weitere „Frohe Botschaft“ der Bibel: Gott vergibt.

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Freitag, 02. Juli 2021:

Gott erbarmt sich der Schwachen

Die Bibel wird nicht müde zu erklären, dass Gott sich vor allem und zunächst um die kümmert, denen es nicht so gut geht. Er steht denen bei, deren Recht mit Füßen getreten wird. Er sucht die, die verloren gegangen sind. Er schenkt neue Kraft denen, die krank darnieder liegen: Gott erbarmt sich der Schwachen. Das ist eine weitere „Frohe Botschaft“ in der Hl. Schrift, weil sie zeigt, wie Gott mit uns Menschen umgeht, wie Gott um uns/mich besorgt ist. Ja, es ist für mich sogar die Grundhaltung Gottes uns Menschen gegenüber, wie ich sie z. B. im 34. Kapitel des Buches Ezechiel nachlesen kann.

Gerade dann, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich verzweifelt bin oder krank, mir Unrecht getan wird oder ich mich verirrt habe, gerade dann, wenn eine Wunde in meinem Herzen klafft, die nicht und nicht heilen möchte, gerade dann kann ich darauf vertrauen, dass Gott mir ganz, ganz nahe ist, dass er mich heilen möchte, dass er mir all das schenkt, was ich für ein „heiles“ und „erfülltes“ Leben brauche. Diese Botschaft schenkt mir Freude.

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Samstag, 03. Juli 2021:

„Damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11)

Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“ So hat der Philosoph Friedrich Nietzsche über die Christen geurteilt in seinem Werk „Also sprach Zarathustra“, im 2. Teil. Warum sagt man Christ*innen – und dies nicht erst seit Friedrich Nietzsche – Freud-Losigkeit nach, beinahe als eine Art „Grundtugend“? Warum sind in den Augen vieler Menschen Christ*innen mürrische Freude-Verderber?

Von Jesus stammt das nicht. Die Evangelien mahnen keineswegs Freud-Losigkeit an. Im 17. Kapitel des Johannesevangeliums ladet Jesus die Menschen ein, dass sie „meine Freude in Fülle in sich haben“ (Joh 17,13). Was geschieht denn, wenn ich mich freue? Mein Herz weitet sich. Es entsteht ein Gefühl von Leichtigkeit. Alles geht schneller von der Hand. Auf einmal habe ich mehr Energie. Ich fühle mich wohl.

Die Freude ist für mich die beste Motivation, etwas Neues anzupacken, kreativ zu sein und neue Wege zur Lösung alter Probleme zu beschreiten. Zu dieser „Freude in Fülle“ möchte mich Jesus bringen, und sie ist tatsächlich eine „Frohe Botschaft“, die ich in der gesamten Bibel immer wieder entdecken kann.

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