2. Fastensonntag: „Er.Schöpfung – Er.Lösung“ – Religion als … Ethik

Einleitung:

„Er.Schöpfung – Er.Lösung – Religion als…“ ist das Motto unserer heurigen Fastenzeit, die der Arbeitskreis Liturgie unserer Pfarre erarbeitet hat. Anhand ausgewählter Kreuzwegstationen hier in unserer Pfarrkirche wollen wir an den Fastensonntagen überlegen, welche Funktionen Religion und Glaube für uns Menschen haben können. Heute schauen wir uns die 10. Kreuzwegstation an, benannt „Du Erniedrigter“. Jesus wird für seine Kreuzigung ausgezogen. Diese 10. Kreuzwegstation erinnert mich daran, dass Religion immer auch eine ethische Dimension hat, dass Religion Maßstab und Norm sein kann, um meine Verhaltensweisen zu überprüfen und Lebensziele zu suchen und zu finden. Religion mit ihrer ethischen Bedeutung wollen wir uns heute im Gottesdienst näher anschauen.

Lesung: Lev 19,1-2.11-18

1 Der HERR sprach zu Mose:
2 Rede zur ganzen Gemeinde der Israeliten und sag zu ihnen: Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig.
11 Ihr sollt nicht stehlen, nicht täuschen und einander nicht betrügen.
12 Ihr sollt nicht falsch bei meinem Namen schwören; du würdest sonst den Namen deines Gottes entweihen. Ich bin der HERR.
13 Du sollst deinen Nächsten nicht ausbeuten und ihn nicht um das Seine bringen. Der Lohn des Tagelöhners soll nicht über Nacht bis zum Morgen bei dir bleiben.
14 Du sollst einen Tauben nicht verfluchen und einem Blinden kein Hindernis in den Weg stellen; vielmehr sollst du deinen Gott fürchten. Ich bin der HERR.
15 Ihr sollt beim Rechtsentscheid kein Unrecht begehen. Du sollst weder für einen Geringen noch für einen Großen Partei nehmen; gerecht sollst du deinen Mitbürger richten.
16 Du sollst deinen Mitbürger nicht verleumden und dich nicht hinstellen und das Blut deines Nächsten fordern. Ich bin der HERR.
17 Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen. Weise deinen Mitbürger zurecht, so wirst du seinetwegen keine Sünde auf dich laden.
18 An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der HERR.
Wort der Heiligen Schrift.

Evangelium: Lk 10,25-37

25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?
27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.
28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben!
29 Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?
30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen.
31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber.
32 Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber.
33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid,
34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
35 Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde?
37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!

  1. Fastensonntag – Erniedrigung

Ethische Funktion: Predigt von Doris Schuch

Liebe Christinnen, liebe Christen!

Das zweite Bild unserer Reihe in der Fastenzeit zeigt auf unserm Kreuzweg, wie Jesus seiner Kleider beraubt wird. Zwei Männer zerren Jesus die Kleider vom Leib – welch eine Erniedrigung! In Jesu Augen spiegelt sich reines Entsetzen.

Mein Beruf besteht darin, Menschen anzuziehen, und am liebsten würde ich zu Jesus hinrennen und ihm ein Kleidungsstück reichen.  Mir bricht das Herz und ich bin sehr traurig, dass ich regungslos hier stehen muss oder eben hier nicht helfen kann. Solche Situationen finden sich auch in meinem alltäglichen Leben: ich möchte gerne hingehen, helfen, oder reden – aber das Gegenteil passiert, mir fehlt die Geduld oder ich nehme mir nicht die Zeit, mein Gegenüber richtig wahrzunehmen und hinzuhören. Vorurteile bringen mich dazu, ihn oder sie kurz abzufertigen und damit kommt es auch zur Erniedrigung. Das entspricht nicht christlichen Werten – und das will ich so auch nicht weiter an mir  akzeptieren.

Kann ich hier gegensteuern? Schaffe ich es, mich zu ändern? Woran orientiert sich mein Handeln? Jede Religion bietet Ideale, Regeln und Prinzipien an, wie man ein guter Mensch sein kann. Jede Religion hat also auch eine „ethische Funktion.“ Wo hilft mir für meine unüberlegten Reaktionen mein christlicher Glaube?

– z.B. in der Nachfolge Jesu: das bedeutet für uns Christen eine Lebensweise, die sich an  Jesus selbst, an seinem Handeln und an seiner Lehre orientiert.
– oder: Ich denke an die Zehn Gebote, auch „Dekalog“ genannt. Das sind Weisungen, an denen wir uns orientieren können.
– oder: vielleicht haben sie schon von der „Goldenen Regel“ gehört: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Das bedeutet: „Behandle alle anderen Menschen so, wie du gerne behandelt werden willst.“
– oder: unsere Heiligen, die wir als Vorbilder vor Augen haben – da fällt mir sofort unser Landespatron der Heilige Martin ein, der mit dem Bettler seinen Mantel teilt.

Solche ethischen Prinzipien, die hier beschrieben werden, geben uns/geben mir Maßstab und Norm für die Beurteilung von Gütern und Verhaltensweisen. Sie regen uns dazu an, unsere Verhaltensweisen zu überprüfen und Lebensziele zu suchen.

Ich möchte für diese Fastenzeit ganz besonders darauf achten, mich und meine Mitmenschen gut zu behandeln, auf Augenhöhe einander zu begegnen, andere nicht zu erniedrigen, aber auch mich nicht erniedrigen zu lassen, wertschätzend mit unseren Ressourcen und Gütern umzugehen und keine Nahrungsmittel zu verschwenden.

Jesus wird für die Kreuzigung auf unserem Bild ausgezogen. ER.Niedrigt. ER.Schöpfung stellt sich bei ihm ein, Er.Schöpfung stellt sich auch oft durch meine Hilflosigkeit mir selbst gegenüber ein.   Doch Er.- Jesus, ist meine Lösung. Meine ER.Lösung. Durch sein Da-Sein darf auch ich gewiss sein, dass er mich hält und stützt und leise in mein Ohr flüstert:  glaub an mich und meine Werte, komm und folge mir – heute und jeden Tag aufs Neue.

Meditation

Du Erniedrigter,
nach Strich und Faden
machen sie Dich herunter
erst hängen sie Dir den Spottmantel um,
jetzt nehmen sie Dir noch den letzten Rest.

Schon von Anfang an bist Du
als ein Fremder und Namenloser
zu uns gekommen.
Du stehst mitten unter uns
Und wir erkennen dich nicht.

Stets ist es so,
dass wir Dich sehen
und doch nicht sehen –
Du bist in jedem Mitmenschen,
der meine Hilfe braucht.

Wenn ich ihn so behandle,
wie auch ich behandelt werden möchte
dann sind wir unserer Er.Lösung
schon einen Schritt näher!

Schlussgebet:

Du Erniedrigter, nun bist du zum Schauspiel der Welt geworden. Nach Strich und Faden machen sie dich herunter; erst hängten sie dir den Spottmantel um, jetzt nehmen sie dir noch den letzten Rest. Es war nie leicht, dich als den zu sehen, der du wirklich bist, du Gott mit uns, heute und alle Tage bis in Ewigkeit.

vgl.: Josef Dirnbeck, Bad Tatzmannsdorfer Kreuzweg, Innsbruck 1990,
aus der 10. Kreuzwegstation,
„Du Erniedrigter“, 60)