5. Fastensonntag „Er.Schöpfung – Er.Lösung – Religion als… Gemeinschaftsbildende Institution/Gesellschaftliche Dimension von Religion“

Kreuzweg BT, 1. Station "Du bleibst bei uns"

Einleitung:

„Er.Schöpfung – Er.Lösung – Religion als…“ ist das Motto unserer heurigen Fastenzeit, die der Arbeitskreis Liturgie unserer Pfarre erarbeitet hat. Anhand ausgewählter Kreuzwegstationen hier in unserer Pfarrkirche wollen wir an den Fastensonntagen überlegen, welche Funktionen Religion und Glaube für uns Menschen haben können. Heute schauen wir uns die 1. Kreuzwegstation an, benannt „Du bleibst bei uns. Jesus feiert mit seinen Jüngern das Letzte Abendmahl“. Religion als gemeinschaftsbildende Institution; die gesellschaftliche Dimension von Religion schauen wir uns heute im Gottesdienst näher an.

Lesung: Jer 31,31-34

Evangelium: Joh 12,20-31

Predigt: Clemens Schermann mit Eva
Ich bleibe bei euch. – Der/Die Andere und ich. (Gedanken zum 5. Fastensonntag)

A: Wir sind zu zweit heute. Wir brauchen einander, um miteinander zu reden, einander zu widersprechen, zu streiten, im Gegensatz respektvoll verbunden zu sein … einander zu ergänzen.
Bei diesem Bild vom letzten Abendmahl hatte ich ein komisches Gefühl. Es zeigt eine Reihe von Menschen, die wie aufgefädelt dasitzen. Einer agiert wie der Anführer der Gruppe. Sie wirken wie gehorsame Schüler oder Soldaten, die den Instruktionen des Befehlshabers lauschen. Sie werden ihm folgen und werden ausführen, was er befiehlt.

I: Ich sehe die Jünger wie von Angst erstarrt. Sie erleben Jesus, dem sie vertrauen. Er erscheint fest in sich und zuversichtlich in dem, was er tut. Und er sagt: Ich bin bei euch. Ich gebe euch ein Beispiel. In diesem Ritual des gemeinsamen Mahles werdet ihr mich erkennen, wenn ich nicht mehr bin. Ich bleibe bei euch.

A: Aus meiner Sichtweise ist Religion wie eine Legitimation, um Regierenden eine Ideologie in die Hand zu geben. So können sie berechtigt das Volk ausbeuten und ihrem Machtbedürfnis fröhnen. Eine große Mehrheit wird ihnen folgen. Das gilt für religiöse Anführer, und es gilt für die Politik. Es werden immer noch Kriege mit religiös verbrämten Begründungen geführt. Und es gibt eine notorische Angst vor den Anderen. Priorität hat unsere Kultur – unsere Einheitskultur, wo alles klar ist. Unsicherheiten und Fehler werden ausgeschlossen.

I: Für mich hat Religion eine Modellfunktion, wie das Miteinander geht. Gerade in Zeiten, wo vieles unsicher ist, wo Menschen ängstlich nach einfachen – radikalen – Lösungen suchen. Wo sie keinen Weg sehen in Zeiten von Veränderungen und den vielfältigen Bedrohungen. Es bedarf einer natürlichen Praxis des ebenbürtigen Miteinanders, dass ein Spielraum entsteht für Vertrauen und Handeln.

A: Wir sind gerade dabei, zwei gegensätzliche Richtungen einzuschlagen.

Wenn Religion für die Gesellschaft eine Bedeutung haben will, braucht es einen Dialog zwischen Wirklichkeit und Hoffnung.

I: Du hast gesagt: Ich mute mich dir zu. Ich habe mich zunächst erschreckt. Und es hat etwas in mir ausgelöst, dass ich zuversichtlich so sein kann, wie ich bin, mit dem, was ich gerade empfinde.

A: Ja, es stimmt. Du bist anders als ich. Das hat mich neugierig gemacht, mich zu entdecken und mich aus einem anderen Blickwinkel zu erleben. Wir können also zunächst gegensätzliche Zugänge sein lassen. Vielleicht finden wir einen Weg, der gerade für die aktuelle Situation passende Möglichkeiten eröffnet.

I: Vorher haben wir im Evangelium gehört: Wenn das Samenkorn nicht in die Erde fällt, bringt es keine Frucht. Es braucht also ein Abstand-nehmen, ein sich Zeit lassen, damit etwas Brauchbares entstehen kann.

A: Der Nachhaltigkeitsforscher Fred Luks schreibt in seinem Buch von der Hoffnung, dass diese nicht ohne den realistischen Blick gelingt. Der Untertitel des Buches ist: Über Wandel, Wissen und politische Wunder. Es sei notwendig die Wirklichkeit wahrzunehmen, auch Ängste und das Chaos und sich zu engagieren, so weit es möglich ist. Gleichzeitig votiert er für einen Spielraum, in der es ein Wunder geben kann. Der Handlungsraum des Menschen darf nicht völlig ausgeschöpft werden – bis zur Erschöpfung.

I: Mir fällt dazu ein paradoxer Satz ein, wo man streitet, ob er von Ignatius v.L. oder von Martin Luther stammt: „Bete so, als ob alles von dir abhinge. Handle so, als ob alles von Gott abhängt.“
Vielleicht geschieht in dieser Weise Erlösung.
Vom Propheten Jeremia wurde heute vorgelesen: „Denn das wird der Bund sein … Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. … Keiner wird mehr den anderen belehren … sondern alle, klein und groß werden mich erkennen – Spruch des Herrn.“ (Jer 31,13f)

 

Meditation:
Ich bleibe bei euch

Diese Feierstunde
im Kreis deiner Freunde
ist das letzte Mahl
vor jenem schwarzen
Freitag des Todes.

Doch durch Dein Wort
über Brot und Wein
verwandelst Du
dieses Abschiedsmahl
in den Vorgeschmack
jenes Freudenmahls
am Ende der Zeiten.

Du gibst uns das Brot
und gibst dich im Brot;
Du selbst bist das Brot,
das wir täglich brauchen,
um leben zu können.

aus: Josef Dirnbeck, Bad Tatzmannsdorfer Kreuzweg,
Innsbruck 1990, aus der 1. Kreuzwegstation
„Du bleibst bei uns“, 6f.

Schlussgebet:

Jesus, du bleibst bei uns, weil du uns liebst, und weil die Liebe stärker ist als der Tod. Doch bevor du dich hingibst, um an deinem Leib jene Wunden zu empfangen, die tödlich sind, gibst du dich uns hin, damit wir dich als das Brot empfangen, das lebendig macht. Lass uns Sauerteig sein, damit dein Reich in uns und durch uns Fleisch und Blut annimmt, wenn wir tun, was du uns geboten hast, heute und morgen und bis in Ewigkeit.

 vgl.: Josef Dirnbeck, Bad Tatzmannsdorfer Kreuzweg,
Innsbruck 1990, aus der 1. Kreuzwegstation
„Du bleibst bei uns“, 5ff.