morgengedanken “ostern und unsere defizite“ vom 19. – 25. april 2015

hier können meine morgengedanken nachgehört und nachgelesen werden:

sonntag: ostern und unsere defizite

Defizite begleiten uns ständig, ja, ein Leben lang. Egal wo wir sind oder hinschauen, überall entdecken wir Defizite, erleben wir Mangelerscheinungen bei uns selber und bei den anderen, in der Politik wie in der Wirtschaft, in unserer Kirche wie auch in der Schöpfung.

Auf Defizite fixiert

Daher will ich mich in dieser Woche mit häufigen Defiziten beschäftigen, mit den materiellen Defiziten oder mit der Frage nach Armut und Gerechtigkeit, mit unseren physischen Defiziten, bzw. dem Thema Krankheit, mit den psychischen Problemen und der damit verbundenen Angst, mit den sozialen Defiziten, bzw. der Frage nach unseren Beziehungen und mit dem Orientierungsdefizit oder der Frage: Was gibt mir Sinn in meinem Leben?

In vielen Gesprächen erlebe ich, dass Menschen in ihren eigenen Defiziten oder jenen ihrer Mitmenschen stecken bleiben, sie sich also nur mehr auf diese Defizite fixieren. Die Botschaft von Ostern motiviert mich dazu, meine Defizite zu benennen, um zu sehen, was bewirken sie, wie kann ich sie bearbeiten, verändern und womöglich sogar ganz beseitigen? Jesu Weg endet nicht am Kreuz, sondern führt zur Auferweckung. Gott möchte auch mich trotz aller Defizite aufrichten und befreien.

 

montag: materielle defizite – armut und gerechtigkeit

Ich erlebe es in letzter Zeit immer öfter, dass Menschen darunter leiden, nicht mehr genug zum Leben zu haben, sich vom Teilzeitjob keinen Urlaub oder anstehende größere Reparaturen mehr leisten zu können. Auch wer nicht direkt von Armut bedroht ist, macht sich Sorgen wegen seines Arbeitsplatzes, wegen der wirtschaftlichen Lage oder der immer höheren Staatsverschuldung. Während immer mehr Menschen von materiellen Defiziten betroffen sind, wird ein anderer, kleiner Teil immer reicher.

Weltordnung brechen

Weltweit stirbt alle fünf bis zehn Sekunden ein Kind an Hunger. Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, wird nicht müde, diese „Massenvernichtung in der Dritten Welt“ anzuprangern. Ein Grundproblem liegt darin, dass auf Grundnahrungsmittel an der Börse spekuliert werden kann und damit ganz legal astronomische Profite erzielt werden. Zudem kontrollieren rund zehn Konzerne 85 % aller weltweit gehandelten Nahrungsmittel.

Beseitigt werden kann diese Ungerechtigkeit nur durch einen jeden einzelnen freien Bürger, wenn entsprechend Druck auf die einzelnen Parlamente ausgeübt wird, um derartige Spekulationen zu verbieten. „Entweder wir brechen diese kannibalische Weltordnung, oder es tut niemand!“, meint Jean Ziegler.

 

dienstag: physische defizite – krankheit

Keine Frage: Ein gesunder Lebensstil ist ein ganz wichtiger Weg, mit mir und mit meinem Körper verantwortungsvoll umzugehen. Aber wenn ich glaube, es gäbe einen Lebensstil, der mir Gesundheit garantiert, dann habe ich ein völlig falsches Vollkommenheitsideal.

Sinn in der Krankheit

Hilfreicher ist es für mich, mit meiner Krankheit, die ich zu tragen habe, ins Gespräch zu kommen. Vielleicht könnte es eine Chance sein, neue Möglichkeiten in mir zu entdecken? Andererseits kann Krankheit auch dazu führen, dass ich verzweifle und die Schmerzen, die mir aufgebürdet werden, kaum ertragen kann. Dabei kann es sogar so weit gehen, dass ich absolut keinen Sinn in meiner Krankheit entdecken kann.

Aber gerade in solch ausweglosen Situationen, in dieser Trauer über die verlorene Gesundheit kann es passieren – ich erlebe das immer wieder als Seelsorger -, dass ich für Gott sozusagen „aufgebrochen“ werde, und es mir geschenkt wird, mich in meiner schweren Krankheit Gott zu übergeben, mich ihm anzuvertrauen. Ich glaube, es ist überaus schwierig für mich, eine schwerwiegende Krankheit anzunehmen und mich Gott zu überlassen. Auch wenn ich dadurch die Kraft finde, in meiner Krankheit nicht zu verzweifeln.

 

mittwoch: psychische defizite – angst

Auch psychische Defizite erlebe ich oft in meinem Alltag als Seelsorger. Dabei entdecke ich, dass Angst ein bestimmendes Thema ist. In einem Klima der Angst gedeihen keine neuen Ideen, egal ob in der Firma, in unserer Gesellschaft, in der Politik, in unserer Kirche.

Sich den Ängsten stellen

Wo Angst herrscht, da kann sich nichts entwickeln. Das Einzige, worum sich alle kümmern werden, ist die Sorge, selber keinen Fehler zu machen. Angst lähmt, schafft Mauern, kann zu tiefgehenden Verletzungen führen. Und zudem frage ich mich, ob es womöglich nicht auch einen Zusammenhang zwischen einer abnehmenden Bedeutung von Religion und der Zunahme von Angst in unserer Gesellschaft gibt. Wie kann ich also mit Angst umgehen?

Der Prophet Elija zeigt mir im 1. Buch der Könige (1 Kön 19) einen möglichen Weg: Elija, dessen Leben bedroht ist, stellt sich seiner Angst, spricht sie an und aus, ja schleudert sie Gott vor die Füße. Ich finde, dass diese Vorgangsweise eine sehr gute ist, mich meinen Ängsten zu stellen und sie zu verarbeiten im Beten. Und wenn ich hier vom „Beten“ spreche, dann meine ich damit kein routinemäßiges Beten, kein Aufsagen von Gebeten, sondern ich meine damit den bewussten Dialog mit Gott. Und Elija begegnet in dieser Haltung Gott (1 Kön 19,14ff.). Ob auch ich im Hinschleudern meiner Angst Gott begegnen werde?

 

donnerstag: soziale defizite – beziehungen

„Ohne Beziehung fällt der Mensch ins Leere“, sagt C. G. Jung. Ich empfinde es daher als wesentlich, zu spüren: Da ist einer, der auf mich achtet. Da ist eine, die mir hilft. In mir steckt noch so viel drinnen, das erst entdeckt und gefördert werden muss. Das kann ich nicht alleine. Aber ich habe jemanden an meiner Seite, der mich hochhebt, die mich fordert, dem es wichtig ist, dass ich vorankomme, die mir hilft durch ihre Liebe, der zu werden, der ich sein kann.

Beziehungen

Diese Beschreibung von „Beziehung“ kann sich in allen menschlichen Beziehungen widerspiegeln, ob zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mann und Frau als Ehepaar, zwischen Liebenden in Partnerschaften, zwischen Freunden, ja selbst zwischen Mitgliedern einer Gemeinschaft. Zuletzt wage ich zu behaupten, dass diese Wünsche auch meine Beziehung mit Gott sehr gut beschreiben.

Dabei stelle ich mir selber die Frage: Wie pflege ich diese meine Beziehungen? Welche Menschen sind mir besonders wichtig? Wem vertraue ich tief? – Und wo gibt es eventuell Beziehungen, die ich schon längst beenden hätte müssen, weil sie mir schlicht und einfach nicht gut tun?

 

freitag: orientierungsdefizite – die suche nach sinn

„Wer ein warum hat zu leben, erträgt fast jedes wie“, zitiert Viktor Frankl in seinem Buch „Psychotherapie für den Alltag“ Friedrich Nietzsche. Dieser Satz begleitet mich schon seit Jahren in meinem Tun als Seelsorger. Viele Probleme und Ängste können meines Erachtens mit diesem Ansatz gelöst werden. In unserer heutigen Gesellschaft besteht eine ganz große Sehnsucht, die nicht mit Konsum zu befriedigen ist und zur Frage führt: Wofür lebe ich?

Sinnsuche

Viktor Frankl hat schon vor einem Dreivierteljahrhundert festgestellt, dass wir Menschen in unserem Innersten nicht so sehr nach materiellen Gütern, Glück, Macht und Sex streben, sondern es uns vielmehr darum geht, dass wir unser Leben als ein sinnerfülltes und gelungenes deuten können.

Ja, auch in meinem Seelsorgealltag bewahrheitet es sich, dass Menschen, die täglich aufs Neue darauf vertrauen, dass ihr Leben und ihr Tun einen Sinn hat, mit Schicksalsschlägen und Krisen weit besser umgehen können und diesen gewachsen sind, als jene, die am Sinn ihres Lebens ständig zweifeln oder ihn noch gar nicht gefunden haben. „Wer ein warum hat zu leben, erträgt fast jedes wie.“ Was ist denn mein „Warum zu leben“?

 

samstag: defizite besiegen durch die osterbotschaft?

Verschiedene Defizite habe ich versucht, in dieser Woche näher zu beleuchten, um zu zeigen, dass in so manchen Unvollkommenheiten auch Chancen und neue Möglichkeiten stecken. Ich habe versucht, mit österlichen Augen auf Defizite zu schauen, so wie Sterben und Auferstehung Jesu zusammengehören. Was meine ich damit?

„Ich bin für dich da“

Die Defizite, die Teil meines Lebens sind, werden nicht das letzte Wort haben. Nein, auch sie können durch die Ostererfahrung verwandelt werden. Ostern ereignet sich mitten im Alltag, mitten im Leben. Das zeigt sich in allen Auferstehungserzählungen. Der auferstandene Jesus begegnet den Menschen immer wieder mitten in ihrem Alltag. Er sagt auch mir:

„Ich bin für dich da – immer! Mitten in deinem Alltag und mit all deinen Defiziten!“ Darauf darf ich vertrauen, selbst wenn es manchmal ganz anders zu sein scheint. Ich darf sicher sein, dass Gott umfassend und gütig da ist, in den schönen wie auch in den dunklen Situationen meines Alltags. Dieses „Ich bin für dich da“ möchte mich befreien von meinen Ängsten und Defiziten, die immer wieder in mir auftauchen und mich verunsichern: „Ich bin für dich da – immer! Mitten in deinem Alltag!“

 

ich mit meiner neuen Kawasaki Z1000SX (im aug. 2013) am Nassfeldpass auf 1541 m
ich mit meiner neuen Kawasaki Z1000SX (im aug. 2013) am Nassfeldpass auf 1541 m