morgengedanken „familien-synode“ in Rom

hier können meinen morgengedanken nachgehört und nachgelesen werden (der gesprochene text weicht etwas vom geschriebenen ab):

ökum. gottesdienst in Grodnau, 13.09.2015.

sonntag: familien-synode 2015 – ihre entstehung

Heute beginnt in Rom die von vielen mit Spannung erwartete Bischofssynode unter dem Motto „Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute.“ Bereits im vergangenen Jahr fand dazu in Rom eine außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode statt. Im Vorfeld bat der Bischof von Rom, Papst Franziskus, dass alle Gläubigen zum weit gefassten Thema „Familie“ befragt werden.

Erneuerung und gemeinsamer Dialog

Ein Fragebogen des Vatikan wurde dazu an alle Diözesen geschickt mit der Bitte, dass sich möglichst viele Menschen mit diesem Fragebogen auseinandersetzen und ihn beantworten. Er umfasste neun Punkte: Die Kenntnis der Lehren der Bibel und des kirchlichen Lehramtes zum Thema Familie wurde erfragt sowie die Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wurden ebenso thematisiert wie die Erziehung der Kinder in „irregulären Ehesituationen“ oder die Beziehung zwischen Familie und Individuum.

Danach entstand ein Arbeitspapier, das im Juni 2015 vom Vatikan veröffentlicht wurde. Mit diesem Arbeitspapier setzen sich ab heute die Bischöfe aus aller Welt in Rom auseinander. Papst Franziskus hat einen Prozess der Erneuerung und des gemeinsamen Dialoges aller eingeleitet. Ob die großen Hoffnungen erfüllt werden können, die viele mit dieser Synode verbinden, wird sich nun bis 25. Oktober zeigen.

 

montag: das arbeitspapier der familien-synode

Sieht man sich das Arbeitspapier der Familiensynode genauer an, darf man erfreulicherweise feststellen, dass der Text versucht, Türen offen zu halten und keinerlei Festlegungen zu treffen. Allem Anschein nach haben sich die Verfasser des Arbeitspapieres eine Feststellung von Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Evangelii gaudium“ zu Herzen genommen, in der der Bischof von Rom festhält: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“.

Ebenso positiv empfinden es viele, dass das Dokument religiöse und kulturelle Vielfalt anerkennt, was bisher innerhalb der römisch-katholischen Kirche alles andere als selbstverständlich war.

Nicht kirchliche Idealvorstellungen stehen also am Beginn des Arbeitspapieres, auch keine moralischen Appelle, sondern eine realistische Darstellung und Beschreibung des Familienalltages sowie die damit verbundenen Herausforderungen im Hier und Jetzt. Dazu gehören eben auch die Themen Verarmung, Migration – wir haben diese Problematik in den letzten Wochen Tag für Tag hautnah erfahren – bis hin zu Genitalverstümmelung, Gewalt, Terror und Krieg.

All diesen vielfältigen Herausforderungen will sich die katholische Kirche mit dem Arbeitspapier der Familien-Synode stellen in der Haltung der von Papst Franziskus eingeforderten Zärtlichkeit. Mehr dazu morgen.

 

dienstag: arbeitspapier ladet zu zärtlichkeit ein

In welcher Haltung können Familien die vielfältigen Herausforderungen, mit denen sie in ihrem Alltag konfrontiert werden, bewältigen? Das Arbeitspapier der Familiensynode bietet einen ungewöhnlichen Weg dafür an:

Geduld, Nähe und Zärtlichkeit

„Zärtlichkeit heißt, mit Freude zu geben und im Anderen die Freude hervorzurufen, sich geliebt zu fühlen. Sie drückt sich in besonderer Weise darin aus, sich den Grenzen des Anderen mit vorzüglicher Achtsamkeit zuzuwenden, besonders dann, wenn diese Begrenzungen offensichtlich hervortreten. Jemand mit Feingefühl und Respekt behandeln bedeutet, Wunden zu heilen und neue Hoffnung zu schenken, damit im Anderen das Vertrauen neu belebt wird. Die Zärtlichkeit in den familiären Beziehungen ist jene alltägliche Tugend, die dabei hilft, innere Konflikte und Konflikte in den Beziehungen zu überwinden.“

Diesbezüglich lädt Papst Franziskus zum Nachdenken ein: „Haben wir den Mut, mit Zärtlichkeit die schwierigen Situationen und die Probleme des Menschen neben uns mitzutragen, oder ziehen wir es vor, sachliche Lösungen zu suchen, die vielleicht effizient sind, aber der Glut des Evangeliums entbehren? Wie sehr braucht doch die Welt von heute Zärtlichkeit! – Geduld Gottes, Nähe Gottes, Zärtlichkeit Gottes“, so der Bischof von Rom, Papst Franziskus, in seiner Weihnachtspredigt 2014.

mittwoch: familien-synode und wiederverheiratet geschiedene

Diese Art von Zärtlichkeit, zu der Papst Franziskus einlädt – ich habe gestern davon erzählt -, erwarten sich auch viele in der römisch-katholischen Kirche wiederverheirateten Geschiedenen gegenüber. Unter anderem fordert Kardinal Kasper eine Änderung in der kirchlichen Praxis gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen. Seit Jahrzehnten wird ja in der katholischen Kirche über den Umgang mit dieser immer größer werdenden Gruppe diskutiert. Der Ansatz von Kardinal Kasper scheint vielen ein gangbarer Weg für die Zukunft zu sein. Was schlägt er vor?

Scheitern und Neubeginn

Er meint, eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zum Kommunionempfang wäre nach einem Prozess der Buße im Einzelfall ohne einen Bruch in der Lehre und der Praxis der römisch-katholischen Kirche möglich. Genau auf diese kirchliche Praxis warten seit Jahren und Jahrzehnten Männer und Frauen, die in ihren Beziehungen gescheitert sind, und nun in einer neuen Beziehung glücklich sind.

Dass sie derzeit offiziell nicht die Kommunion empfangen dürfen, empfindet der Großteil als klare Ausgrenzung. Ebenso wünschen sich sehr viele Betroffene, dass sie in ihrer neuen Beziehung auch in einem Gottesdienst gesegnet werden.

Hoffen wir, dass die derzeit in Rom tagende Bischofssynode endlich auf die Bitten von wiederverheirateten Geschiedenen hört, damit auch sie Gottes Zärtlichkeit in unserer Kirche erfahren.

 

donnerstag: familien-synode – eine „theologie des scheiterns“?

Papst Franziskus hat bei einer wöchentlichen Generalaudienz in Rom Ende Juni Verständnis für eine Trennung von Eheleuten unter bestimmten Umständen gezeigt und meinte: „Sicherlich gibt es auch Fälle, wo eine Trennung der Ehepartner … unvermeidbar ist. Manchmal ist sie sogar moralisch notwendig.“

Als wäre „nichts“ gewesen

Kirchlich geschlossene Ehen können derzeit für ungültig erklärt werden durch das sogenannte „Ehenichtigkeitsverfahren“. Dabei handelt es sich um ein kirchenrechtliches Verfahren, in dem eine etwaige Ungültigkeit der Ehe zweifelsfrei nachgewiesen werden muss. Und dieses Ehenichtigkeitsverfahren wurde nun Anfang September vom Bischof von Rom vereinfacht. Manche Betroffene, die dieses Verfahren durchgemacht haben, finden es mehr als bedenklich, dass zum Beispiel somit amtlich festgestellt wird: Eine über zwanzig Jahre dauernde Ehe wird nun als von Anfang an nicht bestanden und nichtig erklärt, so als sei diese jahrzehntelange Ehe also „nichts“ gewesen.

Ich teile daher die Ansicht von Prof. Dr. Norbert Scholl, der meint: „Angesichts des häufigen Scheiterns von Beziehungen, muss es nicht nur eine Pastoral, sondern auch eine Theologie des Scheiterns geben“. Ehen scheitern. Darauf muss die derzeit tagende Bischofssynode eine zeitgemäße Antwort finden!

 

freitag: familien-synode und homosexualität

In der Vorbereitung der bis zum 25. Oktober tagenden Bischofssynode in Rom war auch das Thema „Homosexualität“ präsent. Damit stellt sich die röm.-kath. Kirche der Realität und dem Leben ihrer Gläubigen, der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts und den Herausforderungen der Weiterentwicklung ethischer Werte um Ehe, Familie, Sexualität und Sexualmoral. Andererseits ist nach wie vor oft ein tiefer Graben zu erkennen, der den Alltag und die Wirklichkeit von Katholiken von der Kirche in Rom trennt.

Dieser tiefe Graben ist auch im Arbeitspapier der Familiensynode wiederzufinden, wenn dort nachzulesen ist, dass sich die römisch-katholische Kirche eine Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht vorstellen kann. Verschiedene Reformbewegungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche fordern jedoch schon seit langem, dass wissenschaftliche Fakten seitens der Kirche zur Kenntnis genommen werden sollen.

So ein Punkt ist z. B., dass gleichgeschlechtliche Menschen sich als solche in ihrer Identität vorfinden. Dabei ist ihre sexuelle Ausrichtung – wie die heterosexuelle Orientierung auch – tief in der Persönlichkeit verwurzelt. Betroffene würden es daher begrüßen, wenn auch endlich die röm.-kath. Kirche sie in ihrer schwulen, lesbischen, bisexuellen oder Transgender-Identität wahrnimmt, akzeptiert, begleitet und unterstützt.

 

samstag: „die wirklichkeit ist wichtiger als die idee“

„Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“, schrieb Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Evangelii gaudium“. Die gelebte Wirklichkeit ist ja nicht gleichzusetzen mit persönlicher Willkür, mit Individualismus oder Relativismus oder mit Glaubensverfall, vielmehr ist sie der Versuch, alle Lebenssituationen, vor allem auch schwierige, mit- und füreinander verantwortlich zu gestalten. Dies muss sich auch in der Theologie und in der Dogmatik zeigen:

Erneuerungsbereit und erneuerungsfähig?

Neu zu bewerten ist, was biblisch und theologisch unter einer sakramentalen Ehe zu verstehen ist. Neu zu bewerten ist das immer noch stark biologistisch geprägte Bild der Sexualität, das auf die Zeugung von Nachkommen fixiert ist. Neu zu bewerten ist die zivile Ehe. Neu zu bewerten ist die Frage einer Wiederverheiratung nach einer Scheidung. Neu zu bewerten ist die Leistung der Alleinerziehenden. Neu zu bewerten ist der Umgang mit Homosexualität und Homosexuellen.

Die Ergebnisse der Bischofssynode in Rom werden darüber entscheiden, ob die röm.-kath. Kirche grundsätzlich erneuerungsbereit und erneuerungsfähig ist. Papst Franziskus gibt den Weg vor, wenn er festhält: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.“